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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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hab ich was. Etwas Kostbares, das dem Roteneck noch nicht einmal gehört. Und damit hab ich ihn in der Hand.« Lena konnte sich nicht vorstellen, was sie damit meinen konnte.
    »Das Messer?«, riet sie schließlich aufs Geratewohl.
    »Nein. Etwas anderes. Aber das Messer – es war seins. Das sagte er mir jedenfalls, und dann wurde er damit ….« Sie begann wieder zu weinen.
    »Hmm«, machte Lena. Er hatte es also gestohlen, nachdem er ohne Gewissensbisse in ihren Sachen herumgeschnüffelt hatte. Es wäre ihm ja sowieso nach der Hochzeit in die Hände gefallen, genau wie Lena, ihre Perlenkette und die Werkstatt. Erleichterung breitete sich in ihr aus wie ein Licht, das ihren Brustkorb erfüllte. Lionel war aus dem Schneider. Sie stupste die schluchzende Loisl an der Schulter. »Weißt du was? Wir stehen jetzt auf.«
    »Nein«, sagte diese.
    »Doch. Wenn wir uns bewegen, wird uns warm.«
    Widerwillig erhob sich die Magd, streckte sich und seufzte. »Meine Beine sind ganz steif. Und was machen wir jetzt?«
    »Jetzt hüpfen wir auf und ab!«
    Mürrisch tat sie, was Lena vorgeschlagen hatte. Danach gingen sie in die Knie, wieder und wieder, lachten, als sie auf dem Boden landeten und einander an den Händen hochziehen mussten, und waren schließlich völlig außer Atem. Zwischendurch vergaßen sie fast, dass sie in einem stockdunklen Kerker festsaßen, und kicherten, bis sie nicht mehr konnten.
    »Hu«, keuchte Loisl. »Bei dem Gehüpfe hab ich fast vergessen, wie dreckig es uns geht.«
    »Gut so«, rief Lena und hüpfte noch eine Weile auf und ab. Irgendwann setzten sie sich auf Lenas Mantel, lehnten sich an die Wand und schliefen ein.
    Lena wurde wach, als das flackernde Licht einer Öllampe ihr in die Augen schien. Es war hell wie ein Blitz nach der langen Dunkelheit.
    Im Schein der Lampe starrte sie ein Bewaffneter verächtlich an. »Mitkommen! Alle beide!«, blaffte er.
    Mühsam richtete Lena sich auf und rieb sich die plötzliche Blindheit aus den Augen. Dann rüttelte sie Loisl, die auf ihrem Mantel tief eingeschlafen war, an der Schulter und half ihr hoch. Arm in Arm folgten die beiden Mädchen dem Fremden, der sich kein einziges Mal nach ihnen umdrehte. Lena spürte, dass Loisl neben ihr ganz steif vor Angst war, und richtete sich auf, um die Freundin zu stützen. Auch wenn sie sich genauso fürchtete, war das noch lange kein Grund, es diesem Mann oder gar dem Roteneck zu zeigen. Doch ihrem Führer war sowieso egal, was sie taten. Mürrisch und ohne ein Wort schritt er ihnen voran durch die dunklen Gänge des fremden Weinkellers, in dem eine Reihe Fässer ungenutzt herumlagen – welche Verschwendung, dachte Lena –, schloss eine Tür auf und führte sie in einen weiteren verlassenen Keller, in dem es nur halb verfaulte Kohlköpfe und eine Stiege voller gelbroter Äpfel gab, deren frischer Geruch ihr in die Nase stieg. Hatte sie einen Hunger! Eine Maus, die sich an den Äpfeln gütlich getan hatte, verschwand blitzschnell hinter einem Bretterstapel. Ein Haus ohne Katze, dachte Lena missbilligend, ist sicher auch ein Haus ohne Hausfrau, in dem polternde Krieger ihre Beine auf den Tisch legten und das Recht des Stärkeren herrschte.
    Schließlich stiegen sie eine schmale Treppe hinauf und kamen in ein Gebäude, das sie noch nie zuvor betreten hatte. Vor dem Ausgang stand mit der Hand am Heft seines Schwertes ein weiterer bewaffneter Krieger und bewachte den Hausflur. Der frische Luftzug drang durch die geschlossenen Fensterläden, deren Ritzen helle Streifen zeigten, aber den Standort des Hauses nicht verrieten. Wo konnte es nur liegen? Nicht allzu weit weg vom Fürstenfelder Pfleghof. Oder vielleicht doch? Für einen Moment verschwamm die Realität vor Lenas Augen, und es schien ihr, als habe der Bote des Königs sie an einen Ort außerhalb von Raum und Zeit gebracht. Als sie zitternd ein- und ausatmete, spürte sie Loisls besorgten Blick und ihren Händedruck. Die Panik verging, und sie schaute sich weiter um. Hinter einer halb geöffneten Tür erkannte sie im Zwielicht einen alten Webstuhl. Ohne Kette, Schuss und ein angefangenes Webstück sah er irgendwie traurig aus. Vielleicht hatten hier Wollweber gewohnt, die ihre Kinderschar mitarbeiten lassen mussten, um überleben zu können. Was war wohl mit ihnen geschehen?
    Der Fremde führte sie in die Küche, in der ein wohlig warmes Feuer brannte. Loisl fühlte sich sofort magisch angezogen und wärmte sich die eisigen Hände an den gelbroten Flammen, die

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