Die Himmelsmalerin
ihrem Boden den gemalten Hund, der davon sprach, dass sie einmal als Behältnis für die Aussteuer der Frau gedient hatte, von der es keine Spuren mehr gab. Auf dem Bett lag eine komplette Garnitur Kleider. Daneben hatte man, umgeben von mehreren dampfenden Kannen, einen Badezuber gestellt. Loisl krempelte die Ärmel hoch und begann, das heiße Wasser einzufüllen, von dem weiße Schwaden aufstiegen.
»Und was jetzt?«, fragte Lena unsicher.
»Jetzt, Lena«, sagte Loisl praktisch, »Ziehst du dich aus und steigst ins Wasser. Weil … nötig hast du es allemal.«
Auch zu Hause hatte Lena selten alleine gebadet. Das lag an ihren dichten langen Haaren, die sich ohne Hilfe kaum entwirren ließen. Die Köchin, die ihr liebevoll den Rücken und die Haare gewaschen und das Handtuch gereicht hatte, war mehr eine Mutter als eine Dienstbotin für sie gewesen und stand in der Rangfolge im Haus nur knapp unterhalb der Tochter des Meisters. Dass Loisl, die in dieser Nacht so etwas wie ihre Freundin geworden war, jetzt die Dienste einer Magd an ihr verrichten sollte, erschien Lena nicht recht.
»Na los, jetzt mach schon!«, drängte sie jedoch gutmütig.
Also gut, dachte Lena, widersprach nicht länger und schälte sich aus ihren verschmutzten, stinkenden Kleidern, die Loisl mit spitzen Fingern an die Seite legte.
»Dass Fisch nach einem Tag noch ärger riecht …«, brummte Lena. War es wirklich erst gestern gewesen, dass sie mit Kilian die Straßen der Stadt unsicher gemacht hatte und dabei zusammen mit dem Inhalt des Fischstands auf der Straße gelandet war? Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte sie ihr Leben noch selbst bestimmt, und nun war sie in die Hände eines Unholds gefallen, der das Blut eines Menschen so bedenkenlos vergoss, wie er Wein in einen Trinkbecher füllte. Sie schauderte.
»Jetzt aber los!«, sagte Loisl und stemmte die Hände in die Hüften. »Du hast Gänsehaut wie eine gerupfte Gans an Martini! Und dünn bist du. Ein Knochengerüst. Kocht Eure Magd so schlecht, dass du hungern musst?«
Schnell stieg Lena in den dampfenden Zuber, dessen Wasser sich wie eine warme Decke um sie legte – eine unglaubliche Wohltat nach der Tortur der letzten Nacht. Zufrieden seufzend tauchte sie unter und wieder auf und breitete ihr nasses Haar wie feuchte Wasserpflanzen über die Wasseroberfläche aus. Eifrig begann Loisl, sie mit einem seifigen Leintuch abzureiben und ihr Haar mit Kernseife zu waschen. Dafür, dass sie sich unfreiwilligerweise einen Bräutigam geteilt hatten, waren ihre Hände bemerkenswert sanft.
»So«, sagte sie nach geraumer Zeit. »Jetzt bist du wieder annehmbar.«
»Und jetzt steige ich hinaus und du hinein«, sagte Lena.
»Was?« Die Magd schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ja klar, wir vertauschen die Rollen. Das Wasser ist unglaublich wohltuend und noch warm.«
»Meinst du wirklich?«
Statt einer Antwort stieg Lena aus der Wanne, tropfte die Holzdielen voll, schnappte sich ein Handtuch, rieb sich trocken und schlüpfte zähneknirschend in die Ersatzgarnitur Kleider, die Roteneck für sie hatte zurechtlegen lassen.
Was blieb Loisl anderes übrig, als sich auf den Handel einzulassen? Kopfschüttelnd legte sie ihre Kleider ab, setzte sich an den Platz, den eben noch Lena eingenommen hatte, und konnte ein genüssliches Seufzen nicht unterdrücken.
»Ich habe unser Pflegekind auch schon gebadet«, erklärte Lena, während sie der Magd den Rücken wusch. »Eigentlich mache ich das ganz gerne. Sanna hat so schöne, blonde Haare. Aber deine sind auch ganz hübsch.«
»Das hat zuletzt meine Mutter für mich getan«, flüsterte Loisl und löste ihren Zopf.
»Na, dann wird es aber Zeit«, Lena drückte den Lappen über ihrem Kopf aus. Loisl hatte flachsblonde Locken, die im feuchten Zustand nur wenig dunkler erschienen. Das warme Wasser zauberte Schweißperlen auf ihre Oberlippe, und ihre Brüste tauchten rund wie zu groß geratene Äpfel aus dem Bottich. Ein Bild glitt wie ein Schatten in Lenas Vorstellung. Hatte Loisls williger, üppiger Körper freiwillig mit Anstetter die Dinge getan, die ihr so zuwider gewesen waren? Sie schüttelte sich, und der Tagtraum, in dem Anstetter schnaufend auf Loisl lag, zerrann wie ein Nachtgespenst. Lena half der Magd aus der Wanne und reichte ihr das Handtuch.
Viel zu schnell verging diese Stunde, die nur ihnen gehörte. Schließlich stand Lena in einem fast leeren Raum im Erdgeschoss Roteneck gegenüber, der sie mit spöttischem Wohlwollen
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