Die Himmelsmalerin
darauf anzusprechen.
Eine Weile schwiegen sie sich an und hingen ihren Gedanken nach. Dann hob sich Rotenecks Blick, und ein anderer, lüsterner Ausdruck trat in seine Augen.
»Aber wenn ich Euch schon da habe …« Lena hörte am Ton, dass er weit weniger nüchtern war, als es sich zu so früher Stunde gehörte. »Dann würde ich die kleine Wildkatze auch gerne – nun sagen wir, auf andere Weise kennenlernen.«
So schnell sie konnte, sprang sie auf und rannte zur Tür. Doch dort erwartete Roteneck sie schon, fasste sie lachend um ihre Mitte und schwang sie einmal herum.
»Du entkommst mir nicht!« Triumphierend trug er sie quer durch den Raum, drängte sie an die Tischkante, schob seine Hand in den Ausschnitt ihres Kleides und begann, ihre Brust zu kneten. Völlig außer sich wehrte sich Lena, kratzte, schrie und trat, aber der Ritter war so groß und kräftig, dass sie sich fühlte, als hätte man ihr einen Felsblock vor den Leib geworfen.
»Ein trotziger Rotschopf – unwiderstehlich.« Der Wein roch so sauer aus seinem Mund, dass sich Lena der Magen umdrehte. »Vom ersten Moment an wollte ich dich. Weißt du noch? Das Mädchen im Brombeergebüsch.«
Voller Panik hob Lena die Hand und fuhr ihm mit ihren Fingernägeln quer durchs Gesicht. Die rote Kratzspur schien ihn nur noch mehr anzustacheln. »Wusste ich doch, dass du niemals aufgibst«, frohlockte er, riss ihren Kopf an den Haaren zurück, küsste sie und presste sein steifes Glied durch sein Obergewand hindurch an ihren Körper. Seine Hände glitten unter ihren Rock, ihre Schenkel hinauf und zwischen ihre Beine. Verzweifelt spürte Lena, wie sich eine grobe Hand dahin schob, wo sie selbst sich kaum zu berühren traute.
»Wunderbar«, murmelte er, »eine Haut wie Seide und eine Pforte, die mir der Glasmaler als Ehrenmann sicher unberührt überlassen hat. Eine Blume, die ich nur noch zu pflücken brauche.« Der Finger, der die zarte Haut an dieser unaussprechlichen Stelle auseinanderdrückte, drang immer tiefer.
»Nein«, schrie sie und versuchte vergeblich, ihn zu treten. Und dann war sie da, eine plötzliche Idee, schneller als ein Augenaufschlag. »Ich verhexe Euch, Eure Manneskraft, Eure ganze Familie und Eure Nachkommen! Alle sollt ihr in der Hölle schmoren.« Er stockte einen Moment und sah sie ungläubig an.
»Sator arepo tenet opera otas«, rief sie in den Raum hinein. Sie hatte keine Ahnung, was der lateinische Heilspruch bedeutete, den Renata ihrem Vater auf die Brust gelegt hatte, aber ein Zauberspruch war es sicher nicht.
»Was?« Ungläubig starrte er sie an, dann wandten sich seine Augen zur Decke, und er lachte, bis er nicht mehr konnte. Sein pralles Glied erschlaffte, aber sein Körper drängte sich weiter an ihren und presste ihren Rücken schmerzhaft an die Tischkante. Schließlich ließ er von ihr ab, umfasste ihre Schultern und hielt sie von sich wie eine Beute, die man nach der Jagd auf ihre Tauglichkeit überprüfte. Lena, die sich fühlte, als hätte man ihr einen Schrank von der Brust genommen, schnappte ächzend nach Luft.
»Ihr seid die beste Unterhaltung, die ich kenne, Jungfer Lena«, sagte er atemlos. »Warum sollte ich Eure süßesten Früchte jetzt schon ernten, wo sie durch Eure wachsende Furcht doch immer köstlicher werden.«
Er zwang seine Lippen ein letztes Mal auf ihren Mund, knetete ihre inzwischen bloßliegenden Brüste, verbeugte sich dann spöttisch und wandte ihr den Rücken zu.
»Wir haben Zeit«, murmelte er, als er den Raum verließ. »Viel Zeit.«
38
Der Junge lag mit unnatürlich verdrehtem Hals neben dem Eimer mit ungespülten Tellern. Sein Mund stand offen, ein Faden Blut hing an seinem Kinn, und seine aufgerissenen Augen würden den Blick auf das Entsetzen, das sie zuletzt gesehen hatten, nie wieder loswerden. Darüber stand mit trügerischer Tröstlichkeit ein Stück blauer Herbsthimmel. Kilian schluckte die aufsteigende Übelkeit herunter und sah sich nach seinen Begleitern um. Bruder Thomas glitt neben das Kind und suchte als Zeugnis des Lebens die Ader am Hals, die bei ihm nie wieder schlagen würde. Fredi war tot.
»Der Herr sei seiner Seele gnädig«, sagte er, schüttelte den Kopf und schloss dem toten Jungen die Augen.
Lionel Jourdains Gesicht war völlig ausdruckslos. »Kilian«, sagte er dann. »Holt den Hardenberger!«
Verwirrt schaute er sich in dem engen Innenhof der Zieglerschenke um, von dessen Rand aus die Hauswände der Hofstatt auf ihn zuzuschwanken schienen, und wischte
Weitere Kostenlose Bücher