Die Himmelsmalerin
musterte.
»Wieder vorzeigbar, Jungfer Lena?« Er trug ein rotgoldenes Übergewand aus einem kostbaren Brokatstoff und eng anliegende schwarze Beinlinge, wie gemacht für einen Ritter des Königs. Dunkel und glänzend lag sein langes Haar auf seinen Schultern, der Bart war perfekt gestutzt. Sein Aussehen war so untadelig, dass es fast über seinen wahren Charakter hinweggetäuscht hätte.
Wütend funkelte sie ihn an. »Bestimmt nicht für Euch.«
Belustigt zog er die Augenbrauen hoch und bot ihr mit einer großzügigen Geste einen Platz am Tisch an, auf dem ein kostbarer Glaskrug stand, der bis an den Rand mit einem schweren Rotwein gefüllt war. Roteneck füllte zwei geschliffene Gläser mit dem Wein und trank ihr lächelnd zu. Lena konnte sich nicht dazu überwinden, es ihm gleichzutun. Irgendwie drehte sich ihr Magen um beim Anblick der Flüssigkeit, die fast so schwarz wie Rotenecks Augen war.
»Nun lasst uns das Wesentliche besprechen«, sagte er und drehte das schwere Glas in seinen Händen. »Wie seid Ihr mir auf die Schliche gekommen?«
»Bis heute Nacht wusste ich nicht, dass Ihr …« Sie biss sich auf die Lippen und hatte mehr und mehr das Gefühl, dass er mit ihr spielte wie eine Katze mit der Maus.
»Dass ich was?«, fragte er. »Die Dinge getan habe, die notwendig waren? Oder dass ich Euch im Spionieren ebenbürtig bin?«
Er setzte sich zurück und streckte seine Beine aus, die so lang waren, dass sie, wenn er gerade saß, an die Tischkante stießen. Wie hatte sie nur so blind sein können, ihn nicht auf die Liste der großen Männer in der Stadt zu setzen?
»Ich wusste wirklich nichts von Euch«, bekräftigte sie.
»Lügt mich nicht an!«, befahl er in einem Anflug von Zorn. »Meine Kundschafter sind Euch gestern durch die Stadt gefolgt und haben den Gassenjungen ausgefragt, kaum war er Euren Klauen entkommen.«
»Aber Fredi kannte Euch doch gar nicht!«
»Nein, aber er hat eine komplette Beschreibung meiner Person geliefert, mit der Ihr und der oberschlaue Novize gleich zu Prior Balduin gelaufen seid.«
Lena klappte den Mund auf und wieder zu. »Das war ein Missverständnis«, flüsterte sie.
»Tatsächlich? Wie soll ich mir dessen sicher sein? Und da musste ich die gute Gelegenheit, die sich mir bot, als Ihr vor der Tür des Pfleghofs standet, doch beim Schopfe fassen, oder nicht?«
Lena nippte jetzt doch an ihrem Wein, dessen exquisiter Geschmack ihr völlig egal war. Die Flüssigkeit, die wie Feuer durch ihre Kehle rann, bot ihr den Moment Zeit zum Nachdenken, den sie brauchte. Roteneck musterte sie amüsiert. Er war auch weiterhin in Plauderlaune. »Sicher wollt Ihr wissen, warum ich zwei so ehrenwerte Zeitgenossen wie Pater Ulrich und Meister Marx ins Jenseits befördert habe?«
Lena nickte zögernd, und ihr Herz begann zu klopfen. Warum erzählte er ihr das alles?
»Weil sie mir in die Quere gekommen sind. Sie waren nichts als Hindernisse auf dem Weg zu einem großen und ehrenwerten Ziel.«
Eiskalt rann es Lena über den Rücken. Was mochte er damit meinen?
»Warum Pater Ulrich?«, schaffte sie es zu fragen.
»Nun, Ihr kanntet ihn, den Wanderprediger, den Starrkopf, der sich in das Leben der Menschen rundherum einmischte, als sei er von Gott dazu bestimmt, sie wie verirrte Schafe auf den richtigen Weg zu führen.«
»Und das wollte er mit Euch genauso tun und hat dabei Eure schwarze Seele übersehen.«
Roteneck schob sich an den Tisch heran und lachte schallend. »Er kannte mich gut genug, um zu wissen, auf wen er sich einlässt. Trotzdem konnte er es nicht lassen. Sein Fehler …«
»Und Anstetter?«
»Er wollte mit seinem Wissen um Pater Ulrichs Tod das große Geld machen. Ihr müsst verstehen, dass das nicht zu akzeptieren war.« Er trank einen großen Schluck Wein. Als er sich zu ihr beugte, stieg ihr sein saurer Atem in die Nase. »Oder nicht?«
Lena hielt die Luft an und versuchte, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen.
»Aber Loisl«, begann sie. »Warum lasst Ihr sie nicht frei? Niemand würde ihr glauben, wenn sie Euch beschuldigt, denn sie ist eine Magd, und Ihr seid ein Ritter des Königs.«
Er schwieg einen Moment. »Loisl, meine liebe Lena«, sagte er dann geheimniskrämerisch, »hat etwas, das mir gehört und das sie mir nicht geben will.«
Ihre Jungfräulichkeit kann es ja wohl nicht mehr sein, dachte Lena ratlos. Hatte Anstetter schon etwas Geld erpresst, dass der Ritter jetzt zurückforderte? Sie nahm sich vor, die Magd bei nächster Gelegenheit
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