Die Himmelsmalerin
ins Haus. Der Fremde klatschte mit seinem durch die Rüstung erhöhten Körpergewicht gegen das zugefallene Tor. Valentin keuchte, Feuerräder vor den Augen, und schaute nicht Anton, sondern Renata in die Augen. Er war unglaublich erleichtert.
»Es ist Valentin«, sagte sie und wandte sich ihrem Neffen zu, der sich unsicher am Kopf kratzte und stirnrunzelnd zur Tür sah, auf die der Verfolger noch immer mit brachialer Gewalt einschlug.
»Aufmachen!«, schrie dieser. »Gebt den entlaufenen Mörder heraus!«
»Wohin mit ihm?« Anton starrte die Tür an, als stehe der Leibhaftige davor. Valentin trat von einem Bein aufs andere und wusste, dass es eng werden würde, wenn jetzt nichts passierte.
»Mama?« Oben an der Treppe stand der kleine Franz und drückte verschlafen sein Kopfkissen an die Wange.
»Bring ihn in den Tiefkeller, zu den Vorräten, und schieb die Truhe auf die Falltür!«, flüsterte Renata. »Ich mach das hier oben schon.«
41
»Ihr hättet mir kein Bein stellen dürfen. Das kompliziert die Sache unnötig.« Leutselig goss der Roteneck samtschwarzen Wein in zwei Becher. »Aber wenn Ihr glaubt, dass ich mit dem Jungen nicht fertig werde, habt Ihr Euch geirrt. Auch wenn die Apothekerin ihn schützt.«
»Natürlich«, sagte Lionel spöttisch.
Sein Feind hatte ihn nicht in den Fürstenfelder Pfleghof geführt, sondern in ein Haus, das in zweiter Reihe lag und von der Straße aus unsichtbar war. Innen herrschte Dämmerung. Wahrscheinlich hatte der Verräter seine Gefolgsleute aufgerufen, so wenig Licht wie möglich zu machen, um alle Aufmerksamkeit von dem Haus abzulenken. In der Küche, die nach hinten hinaus lag, stand eine einzige flackernde Kerze auf dem Tisch, die das Gesicht seines Gegenübers in eine zerklüftete Landschaft aus Tälern und Höhen verwandelte.
»Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich mich danach verzehrt habe, mal wieder mit jemandem von Stand sprechen zu können. Diese Bürger, wie anmaßend sie doch sind. Als gäbe es nicht für jeden einen Platz auf Erden, für König und Bettelmann, Bauer und Pfaffe. Aber sie denken, mit Wein und Geld lässt sich alles erkaufen.« Roteneck trank einen tiefen Schluck aus dem Becher und lehnte sich zurück. »Und Ihr seid mir vom Stand her mindestens ebenbürtig. Vom Geblüt aber steht Ihr weit über mir.«
»Das interessiert mich einen Dreck.« Lionel schob seinen Stuhl zurück. Roteneck dünstete mehr Wein aus, als eine ganze Söldnerrotte trinken konnte.
»Oh, kommt schon.« Er lächelte durchtrieben. »Ich habe lange genug gebraucht, um herauszufinden, wer Ihr wirklich seid. Aber meine Kontakte nach Burgund sind hervorragend. Ein geistlicher Bastard von so hohem Adel, dass sich der Wittelsbacher mit seiner Linie dagegen verstecken kann. Euer Vater ist der Bischof Vincent de Pontserrat, dessen Ahnen mit Kaiser Carolus selbst kämpften.«
Lionel trank einen tiefen Schluck. Der Wein war dickflüssig, süß und schwer. »Sein Geschlecht ist älter als Charles le Magne. Er führt sich und seine Linie auf die Merowingerkönige zurück. Das dürfte aber Unsinn sein.«
»Aber es erklärt, warum der Wittelsbacher Euch ehrt und in seiner Nähe duldet.«
»Ihr irrt.« Lionel runzelte die Stirn. »Ludwig ist ohne Dünkel. Auch ein ehrenhafter Bürger ohne adlige Herkunft kann seinen Weg im Umkreis des König machen.«
Roteneck lachte und trank einen tiefen Schluck. »Ludwig hier, und Ludwig da. Was hättet Ihr für ein treuer Gefolgsmann werden können, wenn es Euch nicht immerzu danach gelüsten würde, Glas zu schneiden und Euch die Finger zu verbrennen.«
Er stand auf und holte einen angeschnittenen Laib Brot von der Anrichte. Dabei schreckte er eine Maus auf, die mit einem empörten Quieken in der Wandverschalung verschwand. »Mistviecher! Die sind überall!«
Als er die äußerste Scheibe abschnitt und genüsslich hineinbiss, spürte Lionel, wie sein Magen rebellierte.
Der Verräter hob das Messer und sprach mit vollem Mund. »Wollt Ihr auch? Ihr müsst Hunger haben.«
»Nein«, sagte Lionel düster.
»Aber wisst Ihr, Jourdain, oder wie auch immer Euer Name lauten mag. Eins verstehe ich nicht. Auch wenn Euch Eure Herkunft so wenig bedeutet, wie konntet Ihr Euch auf dieses Glasmalertöchterlein einlassen? Die ist ja nun wirklich nicht von Stand. Ich gebe zu, sie ist hübsch, aber …«
»Wo ist sie?«, fragte Lionel leise, die Hand an seinem Schwert.
»Oh, Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich Euch das verraten werde.« Roteneck
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