Die Himmelsmalerin
auf die Zehen und wussten doch, dass es vergeblich war, denn im Hintergrund erwartete sie nur eine verschlossene Stalltür, hinter der eine Kuh blökte. Sie saßen in der Falle. Und schon war der Krieger da und schob das Tor zur Seite, behelmt, gerüstet und mit gezogenem Dolch.
»Nur Schweine, ein Dreckstall!«, rief er in Richtung seines Herrn. »Aber nein, wen haben wir denn da? Zwei Lauscher an der Wand hör’n ihre eigene Schand’.«
Er betrat den Pferch geschmeidig wie eine große Raubkatze und näherte sich mit gezogenem Dolch. In diesem Moment befreite sich Kilian von Valentins Hand und trat dem Kämpfer entgegen.
»Nicht!«, schrie Valentin.
»Na, Herrensöhnchen, möchtest du meinen Dolch schmecken? Er beißt, weißt du …« Der Mann ließ die Waffe vor Kilians Augen tanzen.
»Kindermörder«, sagte dieser leise und trat noch einen Schritt auf ihn zu. Eine Sekunde später fand der Dolch sein Ziel. Kilian krümmte sich, presste seine Rechte auf den Bauch und stöhnte leise.
»Lauf!«, stieß er hervor. Der Messermann putzte seinen Dolch an seinem Waffenrock ab und hob ihn dann zum zweiten Mal.
»Kilian!« Valentin stand wie versteinert.
»Lauf endlich!«
»Komm nur, du halbe Portion«, sagte der Krieger und hob das Messer gegen ihn.
Valentin sprang vor, nutzte die Gunst des Augenblicks und drängte den Kämpfer mit seinem gesunden Arm an die Seite. Doch jetzt versperrte der schwarzhaarige Anführer den Eingang. Seine Arme reichten locker von einer Seite zur anderen. »Na, wen haben wir denn da?«
Valentin traute seinen Ohren nicht, als er ihn leise lachen hörte.
»Den jungen Meuchelmörder und das Mönchlein. Habt ihr uns etwa aufgelauert? Das gehört sich aber gar nicht!«
Während Kilian hinter Valentin auf die Knie und dann zur Seite fiel, gab der fremde Ritter seinem Gefolgsmann ein Zeichen. Erneut hob er den Dolch, diesmal in Valentins Reichweite, dem jeder Fluchtweg versperrt war. In diesem Moment legte sich eine Hand auf den Arm des Ritters. Ein Gesicht tauchte auf, auf Augenhöhe mit dem anderen.
»Non!«, sagte Lionel Jourdain, und der Mann mit dem Messer wandte ihm kurz den Blick zu. Die Ablenkung nutzte Valentin und versuchte, sich an dem Ritter vorbeizudrängen, der noch immer den Eingang versperrte. Fast beiläufig streckte dieser die Hand aus und griff mit eiserner Härte nach Valentins gebrochenem Arm. »Au!« schrie dieser. Rote, feurige Nebel waberten durch sein Gesichtsfeld.
Im Haus nebenan sprang krachend ein Fensterladen auf.
»Ich ruf die Wache«, keifte die Schreinermeisterin Huber, die eine ganze Schar Lehrbuben in ihrem Haus beherbergte. »Das ist Ruhestörung!«
»Schon gut, werte Gevatterin«, sagte der Fremde liebenswürdig. »Ich habe nur einen entlaufenen Gefangenen wieder dingfest gemacht.« Valentin wehrte sich wie ein gefangener Hase, zappelte und trat um sich, doch die Hand des Ritters hatte sich wie Eisen um seinen Arm gelegt.
»Aber das ist doch der Valentin. Der ist kein Mörder. Gell, das bist du nicht, Valentin?«
»Nein!«, schrie er.
»Aber doch, er ist überführt«, sagte der fremde Ritter sanft.
Während er sprach, lockerte sich unwillkürlich sein Griff um Valentins Arm. Lionel Jourdain trat beiseite und nickte Valentin aufmunternd zu. Der riss sich los, tauchte unter der Schulter des Ritters hindurch und rannte schneller, als er je gelaufen war, nur fort, egal wohin. Als der Fensterladen mit einem Knall zufiel, hörte er, wie der Fremde hinter ihm strauchelte, zu Boden ging, und sich wegen dem Kettenhemd, das er unter seinem Waffenrock trug, nur mühsam aufrichten konnte. Danke, Lionel Jourdain! Doch dann begann es erstaunlich dicht hinter ihm wieder zu scheppern und zu klappern. Valentin wusste, dass er im engen Gewirr der Gassen keine Chance hatte. Überall waren Häuser, Ecken und Wände, die ihn ausbremsten. Aber er hatte einen entscheidenden Vorteil. Er kannte sich aus und wusste, wer seine Freunde waren. Die Idee war so plötzlich da, dass ihm einen Moment lang schwarz vor Augen wurde. Mit langen Sätzen lief er in die Webergasse und donnerte mit der flachen Hand gegen die Tür des Apothekers, hinter der er einen Lichtschein sah.
»Schnell, macht auf!«, rief er flehentlich. Gott, hilf mir! Sein Verfolger kam näher, unüberhörbar in seiner Rüstung, und streckte schon den Arm nach ihm aus. Da, endlich, Valentin hatte fast schon die Hoffnung aufgegeben, öffnete sich die Tür einen Spalt weit, und eine entschlossene Hand zog ihn
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