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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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gekleidet im schwarzen Habit der Augustinerschwestern, am Bettrand saß. Sie nahm so lange keine Notiz von den Jungen, bis der ganze Teller vollständig ausgekratzt war und der Kranke sich zufrieden in sein Kissen lehnte. »Gut gemacht.« Sie tätschelte ihm die Hand.
    Valentin spürte einen Stich. Seit seine Mutter sich entschlossen hatte, ihre Kräfte in den Dienst der Armen zu stellen, war ihm in ihrem Leben immer der zweite Platz zuteilgeworden. Als hätte sie nicht nur der Welt, sondern auch ihm den Rücken gekehrt. Doch jetzt erhob sie sich, und ihr schwarzes Gewand bauschte sich wie das Federkleid eines Raben, der sich im Regen schüttelte. Blaue Augen schau- ten in blaue Augen. Ihr Haar lag verborgen unter einem Schleier, der unter dem Kinn so eng anlag, dass die Haut ihres schmalen Gesichts sich darüber spannte.
    »Mutter«, sagte er unsicher und lag einen Moment später in ihren Armen. Sie drückte ihn fest an sich. Ihr schwarzes Gewand roch wie immer nach Kampfer und Schweiß. Darunter spürte er zarte Schultern und einen knochigen Rücken.
    »Valentin«, sagte sie erstickt, ließ ihn wieder los und musterte ihn. »Gut siehst du aus.« Ein Lächeln glitt über ihr schmales Gesicht. »Und vor allem lebst du. Aber was ist das?« Ihr Blick blieb an seinem Arm hängen, der untätig in seiner Schlinge hing.
    »Ach das.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ein gebrochener Arm. Bruder Thomas hat ihn gerichtet.«
    »Dann ist ja alles gut.« Seine Mutter strahlte ihn an. »Gott hält seine schützende Hand über dich und lässt dich nicht für meine Sünden büßen.«
    Seit Jahren fragte er sich, was das für Sünden sein konnten, denn alle Welt sprach von ihrer Mildtätigkeit. Aber seit Kilians Selbstmordversuch wusste er, wie viel Kummer und Schuld Menschen hinter ihrer glatten Fassade verbergen konnten. »Schon gut«, sagte er. »Es ist fast bewiesen, dass jemand anders die Morde begangen hat.«
    »Mir fällt ein Stein vom Herzen!«
    »Kilian hat mich ausgelöst.«
    Die Schwester wandte sich seinem Freund zu, der sich verlegen verneigte. »Ich danke dir.«
    »Eigentlich hat mein Onkel das Geld vorgestreckt.«
    »Ganz egal. Wir sind dir für immer zu Dank verpflichtet.« Tränen stiegen in Ruths blaue Augen.
    »Weine nicht, Mutter«, sagte Valentin hilflos.
    »Nein, das ist ein Tag der Freude.« Sie schüttelte den Kopf, schniefte und putzte sich dann die Nase am Ärmel ab. »Sicher wollt ihr etwas essen. Ich schaue nach, ob in der Küche …«
    »Nein«, fiel ihr Kilian ins Wort. »Ich muss Valentin zu den Franziskanern bringen. Wir sind jetzt schon spät dran, Frau Murnerin, äh, Schwester Ruth.«
    »Ich werde für euch beten, für euch beide.«
    Sie verabschiedeten sich, und Valentin versprach, sie über Kilian auf dem Laufenden zu halten. Schließlich standen sie vor dem Spital.
    »Eigentlich schade, dass sie uns nicht den Schlüssel für den Weinkeller besorgt hat.« Valentin schaute in den Himmel, an dem die Sterne prächtiger leuchteten als Juwelen.
    »Meinst du, dass der Mörder Lena im Spitalskeller gefangen hält, direkt neben den frisch befüllten Fässern des Kellermeisters?«
    »Nein.« Das war natürlich Unsinn. Aber er wusste auch, dass es weit hinten im Labyrinth schlecht bewirtschaftete und ungenutzte Keller gab, die zu idealen Verstecken umfunktioniert werden konnten. Und er wusste, dass nicht alle dieser Keller verschlossen waren.
    Sie verließen den Spitalplatz und traten in das enge Gassengewirr ein, das zum Franziskanerkloster führte. Obwohl ein kalter Ostwind auf seinem Gesicht brannte, fühlte sich Valentin an die Sommernacht erinnert, in der er Pater Ulrich gefunden hatte. Zecher kamen ihnen auf dem Weg ins nächste Wirtshaus entgegen.
    »He, Murner. Willst du wieder einen abmurksen? Wir haben ja solche Angst vor dir«, rief ein Wollweber, den er flüchtig kannte. Jetzt war er so betrunken, dass er sich auf seinen Nebenmann stützen musste.
    Valentin öffnete den Mund für eine gepfefferte Antwort, aber Kilian zog ihn am Ärmel mit sich. »Sei bloß still und folge mir!«, zischte er. Vielleicht war es ganz gut, dass im Franziskanerkloster seine Zelle auf ihn wartete, sonst würde er sich noch mit sämtlichem Gassengesindel prügeln. Er hatte einen solchen Zorn auf jedermann, und gleichzeitig saß ihm nach den Wochen im Kerker die Müdigkeit in den Knochen.
    An der Ecke zur hell erleuchteten Zieglerschenke bot eine Gruppe bunt gekleideter Huren ihren Körper feil.
    »Wie

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