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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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gelaunt. Martha stand auf und stellte zwei zusätzliche Teller auf den Tisch. Aber noch interessierte die zwei nur das Licht, das sich auf dem Metallring in Lenas Hand spiegelte, als würde die Sonne aufgehen.
    »Mon Dieu!«, sagte Lionel fassungslos.
    Sanna stemmte eigensinnig ihre Hände in die Hüften. »Ich sagte dir ja, dass es schön ist! Guck dir die schönen Glasteilchen an!«
    »Sag mir, dass es nicht das ist, was ich glaube!« Lena schüttelte den Kopf. Und doch ließ es sich nicht verleugnen. Im matten Licht des Flurs schimmerte die Reichskrone geheimnisvoll. Die roten und grünen Edelsteine in ihrer goldenen Umrahmung fingen das Feuer ein und gaben es dunkel und samtig zurück.
    »Gell«, sagte Sanna hingebungsvoll. »Das ist so schön!«
    »Ja, aber jetzt sagst du uns, woher du es hast.« Lionels Augen funkelten vor unterdrücktem Lachen, und Lena wurde in diesem Moment alles klar. Loisl hat etwas, das mir gehört, hatte der Roteneck gesagt. Er hatte die Magd gründlich unterschätzt, die ihn bei der ersten Gelegenheit um seinen wichtigsten Besitz erleichtert hatte. Anscheinend war die Krone so gut versteckt gewesen, dass selbst er sie nicht gefunden hatte.
    »Stammt es von Loisl?«, fragte sie, und Sanna nickte zögernd.
    »Sie hat einen Sack zurückgelassen, da war der bunte Ring drin. Und sie sagte, ich soll ihn dir geben, wenn sie weg ist.«
    »Was schon ein paar Tage her ist.«
    Jetzt war es an Sanna, unter ihrem blonden Scheitel knallrot zu werden. »Ich habe gern damit gespielt. Es glitzert so schön. Sag, Lena, können wir es nicht behalten?«
    Lena prustete los und lachte, bis sie sich den Bauch halten musste, und auch Lionel konnte sich das Lachen kaum verbeißen. Verwirrt starrte die kleine Sanna von einem zum anderen. Die Erwachsenen waren so oft nicht zu verstehen.
    »Nein!«, keuchte Lena. »Das gehört schon jemandem.«

48
    Es war ein schöner Herbstsonntag, und Lena und Lionel trafen sich nach der Kirche hinter dem Mettinger Tor. Die Hänge am Neckar hatten sich je nach Traubensorte goldgelb und rostrot verfärbt und glichen einem bunt gemusterten Tuch. Darüber stand blassblau der Himmel. Hand in Hand stiegen die beiden den Weg in Richtung Neckarhalde hinauf, wanderten durch die kahlen Obsthaine und über die abgeernteten Felder am Weiler Sulzgries vorbei, bis sie die Kate von Lenas Freundin Renata erreichten. Der Holunder, der Lena im Hochsommer mit seinen Dolden den Weg versperrt hatte, trug jetzt keine Blätter und Früchte mehr. Daraus stellte Renata, wie Lena wusste, wirksame Fiebersäfte her. Ohne Grün trat das Häuschen aus der Umgebung wie ein scharfer Scherenschnitt hervor. Oder wie eine Zeichnung Lionels, dachte sie.
    Noch bevor sie anklopfen konnten, öffnete sich die Eingangstür, und Franz kam auf seinem Steckenpferd herausgetrabt.
    »Étoile, Galopp!«, brüllte er und ritt sie beinahe über den Haufen.
    »He, Reitersmann«, rief ihm Lionel lachend hinterher. »Étoile lässt sich nicht anschreien.«
    »Brrr!«, machte Franz und zügelte sein Pferd. »Dieser hier schon. Und er umrundet tapfer die feindlichen Mannen des Kreuzfahrerheers!« Und er galoppierte weiter in Richtung von Renatas kleinem Weinberg. »Mama ist drinnen, aber die will nicht gestört werden«, rief er ihnen aus sicherer Entfernung zu.
    »Ein ganz schöner Rabauke!«, sagte Renata kopfschüttelnd, die inzwischen in der Tür stand. Lena konnte nur nicken. »Der lässt sich nicht mehr viel sagen!«
    »Er muss in die Schule!«, sagte seine Mutter verbissen. »Und unter andere Jungs.« Sie trat beiseite und winkte die Besucher herein. »Bei mir sieht es heute aus … Na ja, ihr seht es ja.« In Renatas sonst so ordentlicher Stube stapelten sich die Kisten und Kästchen. In einige hatte sie ihre getrockneten Kräuterbüschel verpackt, in anderen ihre Pergamente und Bücher aufgeschichtet. Auf der Bank und auf dem Tisch lag ein bunt zusammengewürfelter Kleiderhaufen und verdeckte fast den Hagebuttenstrauß, der in einem Krug dazwischen stand.
    »Du meine Güte«, sagte Lena. »Sieht es bei dir jedes Jahr so aus, wenn du über den Winter in die Stadt ziehst?«
    »Nein!« Renata lächelte traurig. »Diesmal ist es anders. Ich werde so schnell nicht wieder zurückkommen.«
    Lionel nickte, als hätte er solches schon geahnt. »Wessen Antrag habt Ihr angenommen?«, fragte er.
    »Was!« Nicht nur von der Neuigkeit blieb Lena der Mund offen stehen, sondern auch von der Tatsache, dass Lionel besser über Renatas

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