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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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der man nicht ansah, wie viel sie gekostet hatte, aber innen kostbar und luxuriös. Wie Lionel, dachte sie.
    »Wer auch immer du sein magst, Lionel Jourdain«, begann sie. »Ich weiß, wer ich bin. Magdalena Luginsland, die Tochter des Glasmalers aus Esslingen. Nicht mehr und nicht weniger. Der Abstand zwischen uns ist riesengroß.«
    »Nicht so groß, wie du denkst.« Nach kurzem Zögern setzte er sich zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. »Vergiss nicht, dass ich unehelich geboren bin und ein Glasmaler wie dein Vater.«
    Sie nickte. »Aber es lässt sich nicht leugnen, dass du von hoher Herkunft bist. Wer also ist dein Vater?«
    Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »Vincent de Pontserrat, Bischof von Dijon und Abt von Langres.«
    »Also lag ich schon ganz richtig«, sagte sie und hätte fast gelacht. »Einer, der so hoch steht, dass er auf das Keuschheitsgebot der Kirche pfeifen kann.«
    »Ja«, Lionel verzog amüsiert den Mund. »Aber wenn er je gedacht hat, er könne die Freuden der Liebe genießen, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern, habe ich ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin sein einziger Sohn, und er hat sich mehr für mich interessiert, als für uns beide gut war. Schließlich setze ich, ob unehelich oder nicht, seine Blutlinie fort, die er bis auf einen Seitenzweig der Merowingerkönige zurückführt. Über die mütterliche Seite ist er mit dem Haus Capet und damit den Königen von Frankreich und den Herzögen von Burgund verwandt.«
    Er lehnte sich zurück und zog Lena neben sich, die so sprachlos war, dass ihr keine Fragen mehr einfielen.
    Die blaue Dämmerung verlor sich in der Schwärze der Nacht. Über ihnen glänzte weiß und silbrig ein Heer von Sternen, die mit ihrer Kälte den Rest des Nebels vertrieben. Und Lionel fuhr fort.
    »Meine Mutter war Marie de Goncourt, die Tochter eines kleinen Landadligen. Der Bischof schwängerte sie, als sie gerade sechzehn Jahre alt war. Er muss sie wirklich gemocht haben, denn sie blieb einige Jahre bei ihm.« Er zuckte die Schultern. »Aus dieser ersten Zeit habe ich kaum Erinnerungen, und darum hielt ich lange meinen Stiefvater für meinen Vater.«
    »Wer war das?«
    »Claude de Pourcevelles, ein Ritter im Dienste des Herzogs. Kleiner Landadel wie die Familie meiner Mutter, aber mit einem hübschen Weingut im Norden Burgunds gesegnet. Der Bischof hat gut für seine Mätresse gesorgt.«
    »Aber damit war doch dein Weg geebnet«, flüsterte sie und drückte sich in seine Armbeuge. »Als Erbe deines Stiefvaters.«
    Lionel lächelte leise. »Wo denkst du hin?«, fragte er spöttisch. »Wenn der Erzbischof je gedacht hat, ich würde Claude beerben, hat er sich mal wieder geirrt. Mir zugefallen ist allein ein Weingut von der Seite meiner Mutter. Sie ist im Sommer gestorben, weißt du. Als ich nach Burgund gereist bin, habe ich meine Erbschaftsangelegenheiten geregelt. Wie auch immer. Einige Jahre nach unserer Ankunft auf der Burg wurde mein Bruder Jean-Luc geboren, der Erbe seines Vaters und eine Schlange wie aus dem Garten Eden. Er hat mir auch jetzt wieder Schwierigkeiten bereitet. Dann kamen noch mehrere Geschwister, aber nur meine jüngste Schwester Corinne und er überlebten die ersten Jahre.«
    Lena nickte. So ging es den meisten Familien, denn nur wenige hatten Kontakt zu Heilkundigen wie Renata, die die Kleinen über die schweren Kinderkrankheiten hinwegretten konnten.
    »Aber wenn du mich heiratest, was wird dann mit der Linie der Merowinger?«
    Lionel sah sie an und lachte. »Sie verwässert aufs Köstliche«, sagte er dann.
    Lena kicherte und stieß ihn in die Seite. Ihr Zorn war verflogen und hatte ihrer gewohnten Neugier Platz gemacht. »Erzähl weiter!«
    »Nun, was willst du wissen? Dass mein Stiefvater mich zum Pferdeknecht degradiert hat, als ich gerade acht war? Und das tat er sicher nicht ohne Grund. Ich habe ihm das Leben zur Hölle gemacht, und dafür in seinem Stall sehr viel gelernt – unter anderem, Menschen, die tiefer stehen als ich, mit Respekt zu begegnen. Und Pferde mochte ich schon immer. Aber irgendwann kam der Bischof vorbei und wollte sich von meinen Fortschritten überzeugen.« Er zuckte die Schultern und grinste. »Er hat mich im Pferdestall angetroffen, wo ich gerade den Gaul des Ritters trockenrieb, völlig unbeleckt von ritterlichen Tugenden. Und vorher hatte ich, Raufbold, der ich war, meinen Stiefbruder in die Tränke geworfen, weil er dem Gaul einen Dorn unter den Sattelgurt gesteckt

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