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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Lionel Jourdain auf dem Gerüst vor dem zentralen Spitzbogenfenster und nahm das Maß jedes einzelnen Abschnitts auf. Der Chor der Kirche war vor etwa fünfzig Jahren mit Ornamentfenstern voller Vögel und Teppichmustern verglast worden, die Lena schon als Kind sehr geliebt hatte. Eigentlich wären die einfachen Motive aus der Natur der Armut der Franziskaner angemessener gewesen, aber Prior Johannes hatte sich anders entschieden. Heute strömte das Licht fast ungefiltert in den Chor aus hellem Stein, Licht, das bald von den bunten Farben der neuen Glasfenster gebrochen werden würde, die den Menschen das Leben Jesu näherbringen sollten.
    »Meister Lionel.« Der Raum trug Lenas Stimme bis hoch zum Gewölbe. Behände schwang sich der Glasmaler die Leiter herunter und stand plötzlich vor ihr. Lena wurde so verlegen, dass sie beinahe den Korb fallen ließ, um ihre Hände in den Schürzentaschen zu verstecken.
    »Oh, Frühstück.« Er rieb sich die Hände. »Könnt Ihr Gedanken lesen?«
    Über so viel Begeisterung musste Lena beinahe schon wieder lachen.
    »Lasst sehen, was Ihr mitgebracht habt.« Er hob das Tuch an, mit dem Martha den Korb abgedeckt hatte. »Brot, Wein, Hühnchenschenkel, ein paar Äpfel, süße Krapfen.«
    Er schüttelte in gespieltem Tadel den Kopf. »Wollt Ihr mich mästen, damit ich vom Gerüst falle wie ein fettgefressener Ochse und Euer Verlobter doch noch den Auftrag einheimst?«
    Entrüstet verzog Lena die Mundwinkel auf, aber er schob sie in aller Ruhe zum Chorgestühl.
    »Esst mit mir, Madeleine, dann schmeckt mir das Frühstück noch mal so gut.«
    »Sollten wir wirklich in einer Kirche essen?«, flüsterte sie und biss in einen Apfel.
    Lionel grinste und nahm sich einen Hühnchenschenkel. »Nun, normalerweise ist das Chorgestühl dafür ein zu frommer Ort, aber jetzt ist hier eine Baustelle, die den Handwerkern gehört. Da gelten zumindest zeitweise andere Regeln.«
    Hungrig machte er sich über den Schenkel her.
    »Schließlich habe ich es eilig. Prior Johannes will, dass das Fenster mit seinen fünfundvierzig Scheiben bis Martini fertig wird.«
    Lena verschluckte sich und hustete. »Wirklich?«, fragte sie dann. »Und das könnt Ihr schaffen?«
    Sie zählte nach. Wenn der fremde Glasmaler fertig werden wollte, musste er die Nächte durcharbeiten, vor allem, wenn ihm aufging, dass es in der Werkstatt kaum helfende Hände gab. Ihr Vater sah zu schlecht, und ihr Bräutigam hatte seine Gründe, dem Burgunder nicht zur Hand zu gehen, und würde ihr jede Einmischung verbieten.
    »Ich muss, denn dann kommt  der König und wird mit seiner Entourage im Kloster logieren.«
    »Und das ist sicher?«
    »Ich denke doch. Ludwig der Bayer hat Freunde im Orden der Franziskaner. Und Prior Johannes kennt ihn schon persönlich.«
    In diesem Moment betrat dieser den Chor in Begleitung eines Fremden. Der Mann war groß und kräftig, elegant gekleidet und trug sein schwarzes Haar schulterlang. Lena schluckte schnell das letzte Stück Apfel herunter und konnte gerade noch verhindern, dass es ihr in den falschen Hals geriet. Sie kannte den Fremden, der sich mit spöttischer Galanterie vor ihr verbeugte. Es war der Gleiche, den sie auf dem Rückweg von Renata in Begleitung seiner Gefolgsleute getroffen hatte. Der, der die Hand über seine Kehle gezogen hatte.
    »Darf ich vorstellen.« Prior Johannes deutete auf Lionel. »Meister Jourdain aus Burgund. Er hat auf der Isle de France die Glasmalerkunst erlernt und ist mit der Neugestaltung des zentralen Chorfensters beauftragt. Es soll bis zum Besuch des Königs fertig werden.«
    »Beeindruckend!«
    Die Männer schüttelten sich die Hand.
    »Ritter Raban von Roteneck ist im Auftrag von König Ludwig hier«, sagte der Guardian. »Er inspiziert die Gästequartiere, die ich für den König vorgesehen habe. Eine Kirche mit einer würdigen Ausstattung darf da nicht fehlen.« Das würde sein grimmiger Infirmarius sicher anders sehen, dachte Lena.
    Zufrieden rieb sich der Prior die Hände. »Und wen haben wir da? Meister Heinrich Luginslands hübsches Töchterlein, Jungfer Lena.«
    »Wir hatten schon die Ehre«, sagte der Ritter, und Lena spürte, wie sie knallrot wurde. Der Bote des Königs hatte seltsame Manieren.
    »Ja, wirklich.« Höflich wandte er sich an den Prior. »Die Kirche bietet mit ihrem großen Chor und dem ausladenden Langhaus einen guten Rahmen für einen gemeinsamen Gottesdienst.« Aufgeregt fasste der Prior den Ritter am Ärmel und zog ihn zur

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