Die Himmelsmalerin
streckte.
»Qu’est-ce que tu veux, conard?«, donnerte der Burgunder. »Va te faire foutre putain de merde!«
Die Flößer und die Huren wichen zurück und machten eine Gasse frei, so dass er die schwankende Lena in Kniehöhe packen konnte. Er legte sie über seine Schulter wie einen nassen Sack und stapfte ungerührt zur Tür hinaus.
»Lasst mich runter!«, schrie Lena und trommelte mit ihren Fäusten auf seinen Rücken. Aber Lionel schwieg nur, während er sie weiter durch die dunklen Gassen der Stadt trug. Durch seine Größe wirkte er lang und schmal, doch in Wirklichkeit waren seine Schultern breit und seine Muskeln eisenhart, ebenso wie der Griff, mit dem er sie hielt.
»Bitte«, schluchzte sie. »Ich muss brechen.«
Mit einem Fluch setzte Lionel sie unsanft auf den Boden. »Tut Euch keinen Zwang an.«
Lena sah sich um. Die Welt drehte sich nur noch ganz langsam, so dass sie erkannte, dass sie die eng bebauten Gassen hinter sich gelassen hatten und sich nun auf einem kleinen Stück Wiese direkt unterhalb der Stadtmauer befanden. Über ihnen tanzten die Sterne am Nachthimmel, doch Lionels Augen waren dunkel vor Zorn.
»Was ist in Euch gefahren?«, brüllte er. »Euch von den Huren betrunken machen zu lassen. Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?«
Sein Zorn brachte das Fass zum Überlaufen. Lenas Magen drehte sich und gab schwallartig nicht nur die drei Becher Wein von sich, die sie in der Schenke getrunken hatte, sondern auch noch ihr vollständiges Abendessen. Als sie fertig war, wischte sie sich mit dem Rocksaum den Mund ab, der immer noch bitter und gallig schmeckte, und setzte sich schwer atmend mit dem Rücken zur Mauer auf den Boden.
»Hört auf!« stöhnte sie und fühlte sich fast wieder nüchtern. »Ihr seid nicht mein Vater.«
Ein gutes Stück von ihr entfernt hockte sich Lionel ins Gras und schüttelte den Kopf. »Wofür ich Gott dreimal täglich danke. Was habt Ihr Euch nur dabei gedacht? Morgen seid Ihr Stadtgespräch. Ich bin zwar nicht Euer Vater und auch nicht Euer …«
»O Gott, mein Bräutigam!« Vor Schreck biss Lena sich auf die Faust.
»Was wird der mit Euch machen?« Jetzt war seine Stimme fast so sanft wie sonst.
»Verflixt«, sagte sie. »Ich wollte doch nur herausfinden, warum Pater Ulrich in der Nacht seines Todes nicht im Kloster war. Ob er vielleicht die Mönche der Unzucht verdächtigt hat und deshalb draußen unterwegs war.«
»Aber ist Euch nicht klar, dass es nichts Besonderes ist, wenn die Mönche … nun«, er zögerte, »das Gleiche tun wie alle Männer? Das – wie sagt man – pfeifen die Spatzen von den Dächern.«
»Das habe ich nicht gewusst«, gab sie nachdenklich zu. »Und ich kann es auch nicht glauben. Nicht von allen. Weder von Bruder Thomas und Prior Johannes noch von Kilian.«
Bruchstückhaft erinnerte sie sich an das Gespräch mit den Huren in der Schenke. Irgendetwas hatten sie gesagt, das auch Kilian betraf, aber Lena bekam es nicht mehr zusammen.
Lionel sah ihr scharf ins Gesicht. »Ihr seid also immer noch auf der Suche nach dem Mörder des Dominikaners?«
Sie nickte verbissen. »Einer muss dem Valentin doch helfen. Und wenn ich ihn schon nicht finden kann …«
»Dann wollt Ihr ihn zumindest entlasten.«
Lena nickte und sah ihm offen ins Gesicht. »Er ist unschuldig. Es muss nur jemand beweisen.«
»Aber nehmen wir mal an, der Steinmetz hat Frère Ulrich nicht ermordet.«
Lena schüttelte verbissen den Kopf. »Ganz sicher nicht.«
»Dann läuft sein wahrer Mörder unerkannt in der Stadt herum. Was meint Ihr, wird er mit Euch tun, wenn Ihr ihm in die Quere kommt?«
Lena wurde plötzlich kalt. Ob von der Nachtluft oder von etwas anderem, wusste sie nicht. »Ich muss Valentin trotzdem helfen. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
Sie saßen eine Weile nebeneinander, die kalten Steine der Mauer in ihrem Rücken. Langsam verblassten die Sterne, und im Osten wurde der Himmel durchsichtig apfelgrün.
»Sagt, Madeleine«, begann Lionel schließlich nachdenklich. »Seid Ihr dem Tod vor dieser unsanften Begegnung schon einmal über den Weg gelaufen?«
Sie zögerte. »Als meine Mutter starb.« Es tat noch immer weh, daran zu denken.
»Wann war das?«
»Ich war acht Jahre alt. Mein Vater hatte sie gefreit, da war er schon über vierzig und sie noch ganz jung. Sie starb bei der Geburt meines Bruders. Es war eine Sturzgeburt. Die Hebamme kam zu spät, und sie verblutete. Mein Vater hat es nie verwunden.«
»Und Euer
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