Die Himmelsmalerin
Würfelbecher richtig umdrehen konnte. Mit einem leisen tock, tock, tock kullerten die Würfel nach und nach langsam über den Tisch.
»Mund zu!«, flüsterte sie dem Würfelspieler zu und näherte sich Rosi, die hinter der Theke einen Becher mit einem grauen, schmierigen Lappen auswischte. Neben ihr stand der Wirt und musterte Lena misstrauisch.
»Du bist tatsächlich gekommen.« So etwas wie Respekt spiegelte sich in Rosis dunklen Augen. Sie trug ein Kleid, das ihren Brustansatz freigab, und hatte reichlich billiges Duftwasser über sich verteilt, das eine penetrant süßliche Note hatte. Suchend sah sie sich um.
»Ah, sie sind schon da. Viel Glück!«, flüsterte sie und schob Lena an einen Tisch, der fast vollständig im Dunkeln lag, denn das Öllicht darauf war ausgegangen. Hier hatten es sich zwei Frauen bequem gemacht, die Lena auf den ersten Blick gar nicht bemerkt hatte. Ihre gelben Hurentücher hatten sie sich um die Schultern drapiert wie Edeldamen.
»Das ist Berthe.« Rosi deutete auf eine üppige Schwarzhaarige, deren Brüste beinahe aus dem Mieder quollen. »Und das da ist Hanna.«
Die andere Hure war noch jung. Braune Locken lagen um ein rundes Gesicht, in dem der volle Mund mit so viel Lippenrot betont war, dass er wie eine frühreife Kirsche wirkte.
»Und wie heißt du, Kleine?«, fragte die Ältere spöttisch.
»Das ist Lena«, stellte Rosi sie vor. »Ich habe euch doch von ihr erzählt.«
»Setz dich doch.« Berthe schob einen Schemel an den Tisch, auf dem sich Lena zögernd niederließ. Die Jün- gere lächelte ihr zu und zeigte dabei zwei übereinanderstehende Vorderzähne, auf die sich etwas Lippenrot verirrt hatte.
»Willst du was trinken?«, fragte sie und gab dem Wirt ein Zeichen mit der Hand. Das Zwinkern, das sich dabei in ihre Augen stahl, sah Lena nicht.
»Du bist ein hübscher Käfer«, sagte Berthe nachdenklich und griff Lena in die Haare. »Seidig, voll und rotblond, wie es die Männer lieben. Und die Haut wie Milch, in die ein Tropfen Blut gefallen ist, auch wenn ein paar Sprenkel zu viel darauf sind.«
Lena rückte ihren Schemel ein Stück zur Seite, dahin, wo ihr niemand in den Haaren herumfuchteln konnte.
»Um mich geht es hier nicht«, sagte sie.
»Oh, wie schade«, Berthe lachte. »Ich dachte, du wolltest dir überlegen, wie du dein Geld bequemer verdienen kannst als durch die Glasmalerei.«
Jetzt röteten sich Lenas Wangen von mehr als einem Tropfen Blut. Der Wirt kam, trug ein Tablett vor dem überhängenden Wanst, und stellte einen Becher Wein vor ihr ab.
»Ich bin verlobt«, beeilte sie sich zu versichern, doch die Huren lachten nur.
»Das wissen wir. Aber wir laden dich trotzdem ein«, sagte Hanna.
Lena bedankte sich und nippte nervös an ihrem Getränk. Seltsam, dieser Geschmack! So schmeckte kein billiger Fusel. Der Wein war anständig, aber im Hintergrund lag eine Schärfe und Süße, die sie nicht einordnen konnte. Er rann ihr die Kehle herunter wie Feuer und erhitzte von dort aus direkt das Blut, bis ihre Gedanken durcheinanderpurzelten wie Glassplitter, wenn ihr eine Scheibe zerbrach. Sie musste auf der Hut sein.
»Ich möchte euch etwas fragen«, sagte sie.
»Schieß los!« Hanna beugte sich gespannt vor und zeigte ihren üppigen Ausschnitt.
»Es geht um den Valentin Murner.«
»Den kennen wir«, Berthe nickte. »Ein ganz Hübscher. Er hat dem alten Miesepeter den Garaus gemacht. Dafür müsste man ihn zum Ritter schlagen.«
Lena blieb einen Moment lang die Luft weg. »Aber der Valentin war es nicht. Und ich will seine Unschuld beweisen. Dafür muss ich wissen, was der Dominikaner in der Nacht außerhalb seines Klosters getrieben hat.«
Die Huren sahen sich an und prusteten los. »Sie waren nicht bei uns in dieser Nacht«, sagte Hanna. »Weder der eine noch der andere.«
Lena bekam große Augen. »Aber«, stotterte sie. »Hat denn der Valentin … Ich meine, war er denn …«
»Oh, er könnte uns nicht bezahlen, Lena.« Berthes Augen glitzerten vor Vergnügen. »Und er wird sich sicher nach dir verzehrt haben, so wie du dich jetzt für ihn ins Zeug legst. Aber pass auf, wo dein Verlobter seinen Knüppel hinsteckt.« Beide Huren lehnten sich zurück und schüttelten sich aus vor Lachen.
Lena machte ihren Mund auf und wieder zu wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Lass gut sein.« Hannas Hand legte sich mitfühlend auf ihre. »Ihr seid ja noch nicht verheiratet, aber wenn es so weit ist, dann solltest du besser nicht zu genau nachfragen, was
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