Die Himmelsmalerin
aufs Bett und presste ihre Knie auseinander. Als sie am Oberschenkel etwas Weiches, unaussprechlich Ekelhaftes streifte, erwachte sie aus ihrer entsetzten Starre.
»Nein!«, kreischte sie. »Hilfe!« Sie trat und strampelte um sich.
Anstetter kam noch mehr in Fahrt. Er riss ihr Kleid auf und ergriff die Brüste. Das weiche Etwas an Lenas Oberschenkeln wurde immer fester und bahnte sich seinen Weg nach oben. Lena versuchte, die Beine zusammenzupressen, doch es gelang ihr nicht. Mit einem Ratschen zerriss ihr Kleid der Länge nach, und sie ergab sich schließlich dem keuchenden Verlangen des Tübingers.
Plötzlich, mit einem Ruck, verschwand die Last von ihrem Körper. Lionel stand hinter Anstetter und hatte ihn am Kragen gepackt.
»Lasst mich meine Pflicht tun und meine Braut züchtigen«, schrie dieser, während Lena so schnell wie möglich außer Reichweite kroch.
»Aber nicht so«, fuhr Lionel ihn an.
»Das sind meine ehelichen Rechte«, brüllte der Tübinger. Der Burgunder schüttelte ihn wie einen aus dem Katzenneckar gezogenen Kater.
»Noch nicht! Tire-toi! «, sagte der Burgunder, ließ Anstetter abrupt los und stieß ihn zur Tür. Geschlagen nahm dieser seinen Hut und verließ den Raum mit einem Fluch auf den Lippen.
Lena zog die Decke über ihre Blöße und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Sie wollte nur eines: dass sich der Burgunder davonmachte und sie allein ließ, damit sie sich waschen konnte. Einen Badezuber voll Wasser, am besten einen ganzen Fluss. Sie wusste nicht, wie viel nötig sein würde, um den Tübinger von ihrer Haut zu schrubben, nur dass sie es jetzt tun musste, jetzt sofort. Lionel aber dachte gar nicht daran, das Zimmer zu verlassen, sondern bückte sich über den Haufen zertretener und zerdrückter Holzplatten und Pergamente, den der Tübinger auf dem Boden hinterlassen hatte.
»Habt Ihr das gezeichnet?« Er griff nach dem Fetzen Pergament, auf dem Lena den Engel entworfen hatte. In guten Tagen hatte ihr Kilian Reste feiner Kalbshaut geschenkt, die in der Schreibstube der Dominikaner nicht mehr gebraucht wurden. Wieder und wieder hatte sie ihre Zeichnungen abgekratzt, aber der letzte Engel war so gut geworden, dass er bleiben durfte.
»Ich werde nie wieder etwas malen.« Ihre Stimme klang, als sei sie schwer erkältet, vielleicht von dem Schlag auf die Nase. Dazu die Blutspur auf ihrer Wange. Sie musste schrecklich aussehen und versteckte sich tiefer unter der Bettdecke.
»Warum?«
»Weil er es mir verboten hat«, flüsterte sie in Richtung Wand.
»Und daran werdet Ihr Euch halten?«
»Er wird mich heiraten, und dann ist es damit sowieso vorbei.«
»Dieser Wicht – wollt Ihr den wirklich heiraten?«
»Ich weiß es nicht«, schluchzte sie. Hatte sie denn eine Wahl?
»Sie sind gut, Eure Bilder«, sagte Lionel sanft. »So langsam verstehe ich, wer hier in der letzten Zeit die ganze Feinarbeit ausgeführt hat. Euer Vater kann es ja nicht gewesen sein, dafür sieht er zu schlecht, und Euer Geselle hat kein Talent. Eure Hand ist dagegen begnadet. Es wäre schade, wenn Ihr sie nicht mehr gebrauchen würdet. Und schade wäre es auch um Euch.«
Lena lag unter ihrem Leintuch wie in einem Grab. Seine Worte drangen nicht zu ihr durch. »Lasst mal Euer Gesicht sehen!« Er näherte sich und zog das Laken zur Seite. Lena versteckte ihr Gesicht in den Händen, doch er schob sie fort und strich über den Kratzer auf ihrer Wange, der unter seiner Berührung wie Feuer erglühte.
»Er hat Euch nicht vergewaltigt?«, fragte er sachlich.
Sie schüttelte den Kopf.
»Euer Gesicht sollte sich mal jemand anschauen, ein Arzt, vielleicht Bruder Thomas.«
»Nein!«, schrie Lena. Weitere Männer, ganz egal ob mit oder ohne Kutte, würde sie nicht ertragen. »Ich will Renata. Meine Freundin, sie ist Apothekerin.«
»Sie wird kommen«, sagte Lionel. »Und der Engel – darf ich den haben?«
»Sicher«, sagte Lena gleichgültig. »Nehmt mit, was Ihr wollt.«
Es wurde ein heißer Tag. Vor allem, wenn man ihn wie Lena direkt unterm Dach verbrachte. Für ein Bad musste sie das Zimmer verlassen, und dafür fehlte ihr die Kraft. Stundenlang lag sie eingewickelt in ihr Laken auf dem Bett und ignorierte das hartnäckige Klopfen Marthas ebenso wie die Versuche ihres Vaters, noch einmal mit ihr zu reden. Um sich unliebsame Besucher wie ihren Bräutigam vom Leibe zu halten, hatte sie die schwere Eichentruhe vor die Tür gezogen, in der sie ihre Kleider aufbewahrte. Doch Anstetter kam nicht mehr
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