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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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Lena trotz ihres heiligen Aufenthaltsorts. Der heilige Franziskus würde es ihr sicher nachsehen.
    »Aber weißt du, unsere Mutter, die hat das Gliederreißen jetzt immer stärker. Ihre Fingerknöchel werden dicker und dicker, und Renata sagt, dass sie unmöglich weiter nähen und waschen kann.«
    Lena dachte an die hungrige Kinderschar im schäbigen Hof der Rufles und war plötzlich froh über ihr eigenes Schicksal.
    »Weißt du, morgen, da gehe ich in den Weinberg zur Lese«, flüsterte sie. »Es wird höchste Zeit, aber wir mussten den ersten Schwung Gläser vorher brennen. Wenn du willst, schick doch außer deinen Brüdern auch die Kratzbürste vorbei, wie heißt sie noch?«
    »Maria«, sagte Rosi leise.
    »Sie können alle helfen. Wir sind eh schon spät dran. Und was die Sache mit …« Lena formte den Namen ›Balduin‹ nur mit den Lippen, »… angeht. Morgen Abend kann ich mich mit Berthe treffen, unterhalb der Stadtmauer, da wo es zur Burg hinaufgeht.«
    »Lass es lieber, Lena!«, mischte sich Valentin ein. Er deutete mit dem Kinn in Rosis Richtung. »Es war ja klar, was aus der mal wird.«
    Rosi sprang auf und stemmte beide Hände in die Seiten. »Valentin Murner, du hast anscheinend nicht bemerkt, dass Lena sich hier für dich allein in Gefahr begibt. Also halt dich lieber raus.« Zornig funkelte sie ihn an. »Und über mich zu urteilen, steht dir erst recht nicht zu. Schau stattdessen lieber, dass du deinen eigenen Dreck am Stecken wegkriegst.«
    »Kinder.« Prior Johannes hob beschwichtigend die Hände. »Auch wenn dieser Chor im Moment mehr wie eine Glasmalerwerkstatt aussieht, bleibt er doch Gottes Haus, in dem man nicht wie ein Fischweib herumkrakeelt.« Ein scharfer Blick galt Rosi.
    »Und du, Valentin, beherzigst besser Jesu Wort, dass nur wer ohne Sünde ist, den ersten Stein zu werfen hat.«
    Valentin wurde knallrot. »Tut mir leid!«, stotterte er.
    Rosi drehte sich auf dem Absatz um, dass ihre Röcke rauschten, und verließ mit eiligen Schritten die Kirche.
    Valentin starrte ihr nach. »Muss das sein, Lena?«
    »Was?«
    »Dass du dich mit der da abgibst und dabei weiter im Schlamm rumstocherst. Dein guter Ruf steht auf dem Spiel und eventuell dein Leben, wenn du dem Täter in die Quere kommst.«
    Lena schüttelte ungeduldig den Kopf. »Unsinn. Mein guter Ruf ist eh hinüber, und der Täter wird mir schon nicht pausenlos nachstellen.«
    »Vielleicht doch«, sagte Valentin.
    »Sicher nicht«, gab sie trotzig zurück, zog ihn am Ärmel näher zu sich heran und flüsterte ihm ins Ohr. »Es geht um Prior Balduin. Vielleicht betreibt er … Sodo dingsda!«
    Valentins Blut schoss ihm in die Wangen. »Lena, bitte!«
    »Die Wahrheit muss dir nicht peinlich sein«, sagte sie großzügig. »Vielleicht ist ihm der Pater auf die Schliche gekommen und wollte die Sache öffentlich machen!«
    Valentins warme Hand legte sich auf ihren Arm. »Bitte sei vorsichtig. Wenn nicht für mich, dann für Lionel!«
    Lena, die sonst nicht um Worte verlegen war, verschlug es die Sprache.
    »Ich hab doch Augen im Kopf«, fuhr er fort. »Wer Augen hat zu sehen, der ist nicht der Diener zweier Herren ….«
    »Was?«, fragte sie verständnislos.
    »Keine Ahnung«, sagte er und zuckte die Schultern. »Es kam so über mich. Ich bin wohl heute etwas wirr im Kopf, und da werd ich ganz groß im Sprücheklopfen.«
    Kopfschüttelnd ging Lena zu den Glasmalern hinüber und half ihnen, die restlichen Fenster einzupacken. Valentin wandte sich seiner Madonna in der Sakristei zu, der er liebevoll das Tuch vom Kopf zog. Streuner, der auf ihn gewartet hatte, bellte leise. »Frauen«, hörte sie ihn leise sagen.
    »Gott wird durch die Kunst am besten gelobt«, sagte Prior Johannes, dem es ganz recht zu sein schien, dass sich sein Chor in eine Werkstatt verwandelt hatte. »Und so hat sie ihre Berechtigung auch in einer Kirche. Ach, was sage ich, gerade dort! Aber jetzt …« Er wandte sich dem Refektorium zu, aus dem es appetitlich nach Mittagessen duftete.
    Es wurde still im Chor der Franziskanerkirche, so still, dass Lena den Lärm des Holzmarkts draußen wie ein leises Rauschen hören konnte. Stäubchen tanzten im bunten Sonnenlicht, das durch die Ornamentfenster fiel. Konrad und Lionel berieten sich in der Sakristei mit Valentin über den Zeitpunkt für den Einbau des Chorfensters.
    Lena hob gerade eines der eingepackten Glasbilder auf, um es zu den anderen auf den Stapel zu legen, als sie von der Chorschranke her Tumult hörte.

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