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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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nicht wissen, wer Pater Ulrich umgebracht hat, gehst du nirgendwohin.«
    Sein Mund verzog sich zu einem bitteren Grinsen. »Es ist noch ein Monat bis zu meinem Prozess. Du meinst wohl, dass ich danach nirgendwo mehr hingehe.«
    »So kann man es auch sagen«, entgegnete Lena schnippisch.
    Wütend starrten sie sich an. Valentins Hände waren weiß vom Steinstaub der Marienskulptur, der auch auf seinen Haaren und dem Arbeitshemd lag. Aber tief auf dem Grund seiner blauen Augen lag etwas, das Lena dazu brach- te, als Erste den Blick abzuwenden.
    »Welches Fenster werdet Ihr als Nächstes machen?«, frag- te der Prior neugierig. Die roten Flecken auf seinen Wangen leuchteten hektisch.
    Lionel richtete sich zu seiner vollen Größe auf, wandte sich dann aber nicht dem Franziskaner zu, sondern Lena. »Das von Jona und dem Wal«, sagte er. »Denn manchmal wird man nach langer Zeit aus tiefer Dunkelheit befreit. Sogar, wenn man es nicht mehr erwartet.«
    Da war Freude in Lena, wie ein hoher und ein tiefer Ton, der gleichzeitig erklang, wie ein Stern in der Hand, vielleicht auch wie eine Quelle. Sie lächelte.
    Valentin aber drehte sich in Richtung des Langhauses und zog verwundert die Augenbrauen zusammen.
    Von der Chorschranke, die mit ihren Arkaden das Langschiff vom Chor trennte, näherte sich ein Mädchen. Sie machte langsame, kleine Schritte, als gehöre sie nicht hierher, und ließ ihre Augen zögernd über die Wände schweifen. Als sie schon fast neben den Glasmalern stand, streifte sie sich mit einer schnellen Bewegung das gelbe Tuch vom Kopf, das sie als Hure kennzeichnete. Lena hielt den Atem an. Rosi! Und das, wo selbst sie sich kaum hierhertraute. Lena sah, wie sie die Lippen fest zusammenpresste. Entschlossen trat sie neben ihre Freundin und legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Guck nicht so dumm!«, zischte sie in Valentins Richtung, der seinen Mund nicht mehr zubekam.
    »Möchtest du beichten, meine Tochter?« Prior Johannes’ Knie knackten, als er mühsam aufstand. Er warf den Glasbildern einen letzten bedauernden Blick zu und nahm sich dann seiner seelsorgerischen Pflichten an. »Der heilige Franziskus hat Erbarmen mit allen Sündern.«
    Lena wusste, dass nur die Franziskaner den Huren in der Stadt die Beichte abnahmen.
    »Ich …« Rosi biss sich auf die Lippe. »Nein, Hochwürden. Ich … will nur mit Lena reden.«
    Sie zog sie am Ärmel an die Seitenwand, wo sie auf einem Sitz des Chorgestühls Platz nahmen. Valentin betrachtete sie mit undefinierbarem Gesichtsausdruck, und Lionel schickte ihr einen besorgten Blick hinterher.
    »Lena!«, wisperte Rosi. »Berthe muss dich unbedingt sprechen.«
    Lena zog scharf die Luft ein. »Hat sie etwas herausgefunden?«
    Rosi schaute sich um, ließ ihre Augen über die Glasmaler wandern, die am Boden knieten und die fertigen Bilder vorsichtig in Leintücher verpackten, und streifte dann Valentin, der seine Arme vor der Brust verschränkt hatte und sie finster anstarrte. »Hanna war es. Und es hat ihr gar nicht gutgetan. Die Hebamme, weißt du, die alte Gerstetterin. Sie sagt, sie muss liegen, wenn sie das Kind zur Welt bringen will …«
    »Und da bist du für sie eingesprungen.« Stirnrunzelnd schaute Lena Rosi an, die herausfordernd zurückstarrte. Ihr Mieder gab ihren Brustansatz preis, und auf ihren Wangen und Lippen lag rote Farbe, die sie im Eifer des Gefechts verschmiert hatte. Entschlossen schob sie das gelbe Tuch über ihren Ausschnitt.
    »Na und«, sagte sie schnippisch. »Mir blieb sowieso keine andere Wahl. Aber der Quirin, dieser Henker, dem die Huren unterstellt sind …«
    Lena schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Sie hatte gewusst, dass Quirin, der für seine mustergültigen Hinrichtungen bekannt war, die Oberaufsicht über das städtische Frauenhaus führte. Dass er aber auch bei den freien Huren ein Wort mitzureden hatte, war ihr nicht klar gewesen.
    »Hält er etwa auch die Hand auf?«, fragte sie.
    Rosi nickte. »Und er hat mir dieses blöde Tuch aufgezwungen.« Sie zupfte an dem leichten, gelben Wollstoff, der allen unweigerlich kundtat, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente.
    »Und jetzt weiß jeder …«
    »Es war sowieso nur eine Frage der Zeit.« Rosi schüttelte entschlossen den Kopf. »Du glaubst gar nicht, was es mich gekostet hat, mich hier so zu zeigen.« Als ihre Augen zu Valentin glitten, vertieften sich die roten Flecken auf ihren Wangen. »Und dabei habe ich noch nicht einmal angefangen zu arbeiten.«
    »Verdammt!«, sagte

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