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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wo blieben nur ihre Mutter und Dragosz?
    »Wenn wir dir etwas zuleide tun wollten, hätten wir das schon längst getan, meinst du nicht?« Der Fremde schüttelte leicht den Kopf. »Wir wollen wirklich nur mit dir reden.«
    »Mit mir?«
    »Eigentlich eher mit deiner Mutter«, antwortete der Mann, »aber sie ist im Moment.« Er suchte nach Worten und setzte neu an: »Deine Mutter ist im Moment. nicht besonders gut auf uns zu sprechen, fürchte ich.« Er deutete auf den Mann hinter Runa. »Mein Kamerad war vielleicht ein wenig. unbedacht in der Wahl seiner Worte.«
    »Du meinst, weil er sie als Hexe bezeichnet hat?«, gab Arri zurück.
    Ein rasches, leicht verkniffenes Lächeln huschte über die Lippen des Bärtigen, aber er hatte sich augenblicklich wieder in der Gewalt. »Du musst ihn verstehen. Unser toter Kamerad war sein Bruder. Der Schmerz über seinen Tod war zu viel für ihn. Er hat in seinem Kummer vielleicht Dinge gesagt, die besser ungesagt geblieben wären.«
    »Ja, das scheint mir auch so«, meinte Arri. Sie musste sich beherrschen, um die Dunkelheit hinter der hoch aufragenden Gestalt nicht fast panisch mit Blicken abzusuchen. Wo blieb nur ihre Mutter? Sie musste ihre Worte doch einfach hören!
    »Ich kann mich irren«, fuhr Arri hastig fort, »aber hat er sie nicht schon beschimpft, bevor sein Bruder gestorben ist?«
    Abermals blitzte es kurz und beinahe gehetzt im Blick ihres Gegenübers auf; der Blick eines ertappten Sünders, der sich allmählich in die Enge getrieben sah. Ohne hinsehen zu müssen, spürte Arri, wie sich auch Runa spannte. Möglicherweise ging dem Mädchen ja nun endgültig auf, dass es eine ziemliche Dummheit begangen hatte, und möglicherweise ein wenig zu spät. Der Wolf knurrte leise.
    »Das ist richtig«, sagte der Fremde, diesmal mit unbewegtem Gesicht und vollkommen beherrscht, aber mit einer Stimme, in der irgendetwas falsch war. »Wir haben das eine oder andere über deine Mutter gehört.«
    »Und was?«, wollte Arri wissen.
    Der andere bewegte sich unruhig. »Deine Mutter ist eine mächtige Frau. Man sagt, ihre Heilkräfte vermögen wahre Wunderdinge zu vollbringen.«
    »Und ihr bittet also um diese Wunderdinge, indem ihr sie beschimpft?«, fragte Arri herausfordernd. Ein Teil von ihr schrie fast in Panik auf, der Teil, der sich darüber im Klaren war, dass sie sich gerade um Kopf und Kragen redete, aber im Grunde war es völlig egal, was sie sagte. Sie musste nur reden, damit ihre Mutter und Dragosz die Worte hörten und endlich herkamen. Sie konnte die Spannung, die von den beiden Männern Besitz ergriffen hatte, mittlerweile fast körperlich spüren. Etwas würde geschehen. Etwas Schlimmes, und zwar gleich.
    »Warum redet ihr nicht mit Leandriis selbst?«, mischte sich Runa ein. »Oder mit meinem Vater? Ich bin sicher, er kann alle Missverständnisse aufklären.«
    »Ja«, sagte der Mann hinter ihr, »aber wer sagt dir, dass wir das wollen?«

22
    Und dann schien plötzlich alles gleichzeitig zu geschehen. Arri fuhr herum. Runa prallte einen Schritt zurück und zur Seite, um der zupackenden Hand auszuweichen, mit der der Mann unversehens nach ihr griff, aus dem drohenden Knurren des Wolfes wurde etwas anderes, und das Tier stieß sich ansatzlos aus dem Stand ab und sprang mit geöffneten Fängen nach dem ausgestreckten Arm, der nach Runa grabschte. Hätten sich seine gewaltigen Kiefer um das Handgelenk des Mannes geschlossen, hätten sie ihm die Hand vermutlich einfach abgebissen.
    Aber er erreichte sein Ziel nicht. Auch der andere Arm des Mannes kam plötzlich hoch, und seine Hand war nicht mehr leer, sondern hielt einen faustgroßen, glatten Stein umklammert, den er unter dem Umhang verborgen getragen haben musste und den er nun mit aller Kraft auf den Schädel des Wolfes herunterkrachen ließ.
    Den Bruchteil eines Atemzuges, bevor sich die Fänge des Raubtiers in sein Fleisch rammen konnten, zerschmetterte der Stein dessen Schädel, und noch bevor der Wolf zuckend ins nasse Gras fiel, beendete die andere Hand des Mannes ihre Bewegung und riss das Mädchen von den Füßen. Runa fiel keuchend zu Boden. Arri hörte etwas hinter sich rascheln, deutete eine Bewegung nach rechts an und warf sich dann blitzartig nach links. Es gelang. Die zupackende Hand verfehlte sie so knapp, dass die Fingernägel des Mannes ihre Bluse zerrissen und eine brennende Spur auf ihrer Haut hinterließen, aber sie verfehlte sie; statt sie herumzureißen und festzuhalten, brachte sie sie nur zum

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