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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pläne. ändern«, antwortete Dragosz. Seltsam, wie leicht man eine Lüge durchschauen konnte, wenn man das Gesicht seines Gegenübers nicht sah. Dragosz löste sich endlich von seinem Platz, kam näher und kletterte auf der anderen Seite des Wagens empor, aber mit Bewegungen, die Arri ebenso mühsam und umständlich vorkamen wie die, mit denen sie selbst gerade vom Kutschbock gestiegen war. Sie war jetzt sicher, dass mit ihm etwas nicht stimmte, und wären es nicht seine Bewegungen und sein sonderbar verkrüppelt aussehender Umriss gewesen, so hätte sie es gerochen. Er roch nach Schweiß, was an sich nichts Besonderes war -jeder, den sie kannte, roch so -, aber es war nicht der Schweiß schwerer Arbeit oder der Sommerhitze, sondern der saure Geruch eines überstandenen Fiebers, nur unzulänglich überdeckt von dem Kräuterduft, wie ihn die Verbände verströmten, die ihre Mutter aufzulegen pflegte.
    Dragosz kam gebückt näher und ließ sich mit untergeschlagenen Beinen neben sie sinken, und endlich war er nahe genug, um von einem bloßen Schatten zu einem Körper zu werden. Aus Arris Verdacht wurde Gewissheit. Dragosz' Gesicht war so bleich wie frisch gefallener Schnee, das konnte sie trotz des schwachen Lichtes erkennen, und auf seiner Stirn glitzerte ein Netz aus zahllosen, winzigen Schweißtröpfchen. Seine Gestalt wirkte tatsächlich unförmig; er trug den linken Arm in einer Schlinge aus denselben groben Stricken, aus denen auch das Geschirr der Pferde geflochten war, und die Schulter unter dem schwarzen Fellmantel war so dick verbunden, dass er fast wie ein Buckliger aussah. Auf seinem Gesicht lag ein aufmunterndes Lächeln, aber Arri sah trotzdem, dass er all seine Willenskraft brauchte, um nicht am ganzen Leib zu zittern, so als hätte er Schüttelfrost. Wahrscheinlich hatte er welchen.
    »Was ist passiert?«, fragte sie erschrocken. Dragosz zuckte nur -vorsichtig - mit der unverletzten Schulter; und Arri hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, brauchte sie im Grunde aber auch gar nicht. Sie hatte sie sich fast im gleichen Moment schon selbst gegeben, in dem sie die Frage ausgesprochen hatte.
    In all dem Durcheinander hinter ihrer Stirn waren zumindest ein paar Erinnerungen, die ganz eindeutig nicht aus einem Fiebertraum stammten, und in einer davon spielten gedämpfte Schreie eine Rolle, das Klirren von Waffen und große Flecken von niedergetrampeltem Gras, das nass von noch nicht ganz eingetrocknetem Blut war.
    »Nichts von Bedeutung«, beantwortete Dragosz ihre Frage mit einiger Verspätung. »Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.« Sein Gesicht verdüsterte sich. »Als ich gehört habe, was passiert ist, habe ich mir schwere Vorwürfe gemacht. Es tut mir Leid, dass ich nicht da war, um dich zu beschützen.«
    »Du konntest es nicht, oder?«, sagte Arri mit einer entsprechenden Kopfbewegung auf seine verbundene Schulter, aber Dragosz machte nur ein noch finstereres Gesicht.
    »Ich habe dir versprochen, auf dich und deine Mutter aufzupassen«, beharrte er. »Es spielt letzten Endes keine Rolle, warum man ein Versprechen bricht, so lange man es bricht. Es tut mir Leid.«
    Welch ein Unsinn!, dachte Arri.
    Dann musste sie über ihre eigenen Gedanken lächeln. Dragosz sprach im Grunde nur laut aus, was sie selbst gerade gedacht hatte; und vielleicht war das nicht einmal Zufall. Jetzt, wo er ihr so nahe war, konnte sie erkennen, dass er sich in keinem besseren Zustand befand als sie, und eigentlich sogar in einem schlimmeren. Vielleicht, überlegte sie ernsthaft, führten ähnliche Verletzungen auch zu ähnlichen Verwirrungen des Denkens.
    »Das warst du, in dieser Nacht, nicht wahr?«, fragte sie.
    Dragosz sah sie fragend - aber nicht sehr überzeugend - an, und Arri fuhr mit einer erklärenden Geste auf seine verletzte Schulter fort: »Du hast die drei Krieger angegriffen, die uns aufgelauert haben.«
    Dragosz zögerte. Seine Augen schimmerten wie nasse schwarze Steine, und irgendetwas in seinem Blick. änderte sich. Arri konnte nicht sagen, was, aber sie war nicht sicher, ob es ihr gefiel. Ganz und gar nicht.
    »Nun ja«, erwiderte er. »Man könnte es so nennen.«
    »Und wie nennst du es?«, fragte Arri.
    Der sonderbare Ausdruck in Dragosz' Augen blieb, aber da war jetzt plötzlich auch noch etwas anderes; etwas, das ihr einen durchaus nicht unangenehmen Schauer über den Rücken laufen ließ und das sie ebenso genoss, wie sie es fast schuldbewusst von sich schob. Sie war viel zu

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