Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
diese Worte, aber sie waren einmal heraus, und überraschenderweise schienen sie Lea auch nicht zu verletzen; und wenn, so ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Euch beide«, antwortete sie, »vor allem aber dich. Dieses Schwert ist ein mächtiges Werkzeug, doch es nutzt nichts, wenn man nicht weiß, wie man es handhaben muss. Ich habe dir einige seiner Geheimnisse verraten, aber längst nicht alle, und ich fürchte, dass die Zeit, die uns noch bleibt, noch knapper ist, als ich ohnehin geglaubt habe.«
    »Bis was geschieht?«, fragte Arri.
    Ihre Mutter überging die Frage. »Ich werde mit dem, was ich getan habe, leben müssen«, fuhr sie fort, »und auch du wirst das tun. Vielleicht wirst du eines Tages verstehen, warum ich so handeln musste, und mir verzeihen. Bis dahin kann ich dich einfach nur bitten, mir zu vertrauen.« Sie löste die Hand vom Schwertgriff und ließ den Wagen wieder anrollen. Arri griff unwillkürlich mit der verbundenen rechten Hand nach Halt, um das plötzliche, heftige Schaukeln des Gefährtes au szugl eichen, fuhr zusammen und biss schmerzerfüllt die Zähne aufeinander. Ihre Mutter hatte ihr zwar gesagt, dass die Verbrennungen, die sie sich an der Fackel zugezogen hatte, nicht so schlimm wären, aber sie fühlten sich jedenfalls so an, als wäre unter dem Verband aus kunstvoll gewickelten Blättern rohes, entzündetes Fleisch.
    Für einen Moment trat ein Ausdruck von Sorge in die Augen ihrer Mutter, aber sie sagte nichts dazu, sondern wartete nur, bis Arri auf der Bank wieder ein kleines Stück näher an sie herangerutscht war und sicheren Halt gefunden hatte, bevor sie fortfuhr: »Wir rasten, sobald die Sonne untergeht, und fahren erst morgen früh weiter. Wir könnten das Dorf noch heute erreichen, aber ich möchte nicht mitten in der Nacht und übermüdet ankommen.«
    Arri sah sie überrascht an. »Wir fahren zurück zum Dorf?«, vergewisserte sie sich ungläubig.
    »Wohin sonst?«, wollte Lea wissen.
    »Aber.« Arri brach verwirrt ab und sah für die Dauer von zwei oder drei schweren Herzschlägen zu der dünnen, dunkelgrünen Linie am Horizont hin, bei der es sich um nichts anderes als um den verbotenen Wald handeln konnte, den Worten ihrer Mutter zufolge. Sie hatte ihr zwar gesagt, dass sie mehr als zwei Tage geschlafen hatte, aber Arri war bisher nicht klar gewesen, dass sie demnach schon beinahe wieder zu Hause waren.
    »Aber ich dachte«, setzte sie neu an, »wir können nicht zurück. Wenn Nor erfährt, was seinen Kriegern widerfahren ist.«
    »Sie werden es ihm schwerlich verraten können«, unterbrach sie ihre Mutter. »Du hast Recht - früher oder später wird ihm auffallen, dass sie nicht zurückkommen, und er wird Nachforschungen anstellen. Aber bis er erfährt, was wirklich passiert ist, sind wir längst nicht mehr hier.«
    »Und wenn er es schon weiß?«
    »Woher?« Lea schüttelte so heftig den Kopf, als wolle sie sich selbst von etwas überzeugen. »Er wusste ja bisher nicht einmal, dass es Targan und seine Familie überhaupt gibt, und mit ein wenig Glück wird er es auch nie erfahren. Und selbst wenn. wir müssen zurück ins Dorf, weil es noch einige Dinge gibt, die ich erledigen oder bereinigen muss. Aber in spätestens vier oder fünf Tagen verlassen wir diesen gastlichen Ort.«
    »Und wohin gehen wir?«, wollte Arri wissen.
    Diesmal zögerte Lea einen spürbaren Moment, zu antworten, und sie sah sie auch nicht an, als sie es tat. »Dragosz wird uns abholen.«

24
    Sie hatten nicht bei Sonnenuntergang Halt gemacht, wie Lea eigentlich vorgehabt hatte, sondern waren noch so lange weiter gefahren, bis aus der Linie am Horizont eine Mauer aus massiver Schwärze geworden war und sie schließlich den Waldrand erreichten. Arri hatte nichts dazu gesagt. Sie hatten ohnehin während des gesamten restlichen Weges nur noch sehr wenig miteinander gesprochen - um nicht zu sagen, so gut wie gar nicht -, und Arri ersparte sich auch jede Bemerkung, als sie begriff, auf welch sonderbare Weise Lea den Wagen schließlich anhielt: sie lenkte das Gefährt unter die weit ausladenden Äste einer gewaltigen Buche, die sich nicht nur vorwitzig ein gutes Stück weit aus dem eigentlichen Wald herausgeneigt hatte, sondern auch dem Herbst trotzte, der überall sonst schon seine Spuren hinterlassen hatte. Ihre Krone glänzte immer noch in einem saftigen Grün, das selbst während der Nacht zu erkennen war, während die meisten anderen Bäume sich bereits braun oder rot und goldgelb verfärbt

Weitere Kostenlose Bücher