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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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legte ihr einen Teil seines Umhangs über die Schulter, aber das wollte sie nicht. Fast erschrocken glitt sie wieder unter dem warmen Fell hervor, machte sich aber nicht aus seinem Griff los, sondern sah ihn nur einen Herzschlag lang verlegen an, ehe sie sich -sehr vorsichtig - gegen seine Schulter lehnte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, indem sie ihm so nahe kam, aber zugleich war es auch ein sehr angenehmes Gefühl. Sein Umhang war warm, und das Fell, aus dem er gemacht war, viel weicher, als sie seinem Aussehen nach vermutet hätte. Dragosz versuchte nicht noch einmal, sie unter seinen Umhang zu nehmen, legte ihr aber nun den Arm um die Schulter, um sie auf diese Weise wenigstens ein bisschen zu wärmen.
    »Und weiter?«, fragte sie.
    »Was -weiter?«
    Als ob er das nicht wüsste! »Was ist weiter passiert«, fragte Arri, »nachdem dir meine Mutter nicht die Kehle durchgeschnitten hat?«
    »Wir haben geredet«, antwortete Dragosz.
    »Ja, das habe ich gesehen. Ich meine: Vorher. Bevor ihr geredet habt.«
    Ganz kurz hatte sie das Gefühl, zu weit gegangen zu sein, denn obwohl Dragosz vollkommen reglos dasaß, schien er sich für einen Moment doch innerlich zu versteifen; als wäre etwas in ihm erloschen. Aber wenn, dann war es im nächsten Augenblick schon wieder da. Seine Finger begannen mit ihrem Haar zu spielen; ganz sacht nur, aber auf eine völlig andere Art, als sie sie kannte. Wieder lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken, doch sie war plötzlich nicht mehr sicher, ob er nur von der Kälte kam.
    »Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht, Arri«, sagte er belustigt. Es war das erste Mal, dass er sie mit diesem Namen ansprach, statt sie Arianrhod zu nennen, und sie glaubte nicht, dass das Zufall war. »Oder dass deine Mutter einverstanden ist, wenn wir uns darüber unterhalten.«
    »Dann haben wir eben jetzt zwei Geheimnisse«, antwortete Arri, ebenso ärgerlich darüber, dass er sie plötzlich wieder wie ein Kind behandelte, wie über die Tatsache, dass ihre Mutter ihm ihren Kindernamen überhaupt verraten hatte. »Und ich behalte das eine für mich, wenn du mir das andere verrätst.«
    Dragosz schien dies nun nicht mehr lustig zu finden. Er sagte zwar nichts, aber seine Finger hörten auf, ihr Haar zu kringeln. Für eine Weile saßen sie einfach schweigend beieinander, und ohne dass Arri es auch nur bemerkte, kuschelte sie sich immer enger an seine Schulter und versuchte dabei, sich einzureden, dass es nur die Wärme seines Umhangs war, die sie spürte, und das sonderbare Gefühl in ihrem Inneren die Erleichterung, endlich einen Menschen getroffen zu haben, der nicht ihr Feind war und dem sie vorbehaltlos vertrauen konnte.
    Dragosz' Finger spielten wieder weiter mit ihrem Haar, und schließlich ließ Arri den Kopf zur Seite sinken und schmiegte ihre Wange gegen seine Hand. Für einen Moment erstarrte er, als hätte ihn diese Bewegung nicht nur völlig überrascht, sondern als wüsste er auch nicht genau, wie er damit umgehen sollte. Arri wollte sich schon wieder aufrichten und ein Stück weit von ihm wegrücken, denn um nichts auf der Welt wollte sie diesen kostbaren Moment zerstören oder ihn zu etwas machen, was er niemals sein durfte. Dann aber fuhren Dragosz' Finger fort, mit ihrem Haar zu spielen, und streichelten dabei gleichzeitig ihr Gesicht.
    Ein sanfter Schauer durchfuhr Arri. Sie gab den Widerstand gegen sich selbst auf und versuchte jetzt nicht mehr, sich einzureden, dass das, was sie fühlte, irgendetwas anderes war als das, was es nun einmal war, aber diese Erkenntnis erschien ihr sonderbar undramatisch; sie hatte erwartet, von Schuldgefühlen geplagt und von ihrem schlechtem Gewissen gequält zu werden, doch nichts von alledem war der Fall. Seine Umarmung vermittelte ihr eine Wärme, die ihr weder zustand noch, dass sie sie wirklich haben wollte - aber es war ein Gefühl, gegen das sie wehrlos war. Vielleicht, weil sie sich tief in sich selbst auch gar nicht dagegen wehren wollte.
    Für die Dauer von fünf oder auch zehn schweren Herzschlägen blieb sie reglos und mit geschlossenen Augen so sitzen und erkundete das neue, verbotene Gefühl von Wärme und Verlangen, das sich in ihrem Schoß breitmachte und rasch nach ihrem Herzen griff, dann öffnete sie die Augen wieder und drehte langsam den Kopf so, dass Dragosz ihre Wange weiter streicheln, sie ihn zugleich aber auch ansehen konnte. Trotz der fast vollkommenen Dunkelheit erkannte sie sein Gesicht nun

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