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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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warst du so lange?«
    Lea setzte zu einer zornigen Antwort an, beließ es dann aber bei einem Schulterzucken und schoss einen eisigen Blick in Dragosz' Richtung ab, unter dem er regelrecht zusammenzuschrumpfen schien, bevor sie ihren Weg fortsetzte und vollends zu ihnen auf den Wagen hinaufstieg. »Ich habe mich umgesehen«, antwortete sie mit einiger Verspätung auf Arris Frage. »Es ist alles ruhig.«
    »Hast du etwas anderes erwartet?«, fragte Dragosz.
    »Nein«, erwiderte Lea. »Aber man kann nie wissen.« Sie schien noch mehr sagen zu wollen, schluckte es aber dann herunter und maß nun Arri mit einem langen, durchdringenden Blick, der ihr das Gefühl gab, von innen nach außen gekrempelt zu werden, auf dass ihre geheimsten Gedanken und Gefühle offenbar wurden. Arri fragte sich mit wachsendem Unbehagen, wie lange ihre Mutter wohl schon am Waldrand gestanden und Dragosz und sie belauscht hatte; und vor allem beobachtet.
    Verstohlen versuchte sie, im Gesicht ihrer Mutter zu lesen, doch alles, was sie entdeckte, war ein vager Zorn, der niemandem im Besonderen zu gelten schien; aber das bedeutete nichts, denn seit einer Weile sah sie ihre Mutter eigentlich nur noch grimmig dreinblicken, als hätte sie dem ganzen Leben den Krieg erklärt. Vielleicht war es auch umgekehrt.
    »Ich halte es trotzdem für besser, wenn ihr gleich mit mir kommt«, versuchte es Dragosz noch einmal. »Wenn du schon nicht zur Vernunft kommen willst, dann denk wenigstens an deine Tochter. Du hast gesehen, wozu Nors Krieger imstande sind.«
    Lea fuhr mit einer zornigen Bewegung herum und duckte sich leicht, beinahe wie um sich auf ihn zu stürzen, beherrschte sich aber dann im allerletzten Moment doch und sagte in leisem, fast kühlem Ton: »Und sie haben gesehen, dass wir uns unserer Haut zu wehren wissen.«
    Das war dumm, und das musste ihre Mutter auch selbst wissen, dachte Arri. Sie hatten pures Glück gehabt, das war alles. Sie konnte Dragosz ansehen, dass er Ähnliches dachte, vermutlich aber zu demselben Schluss kam wie sie, nämlich dem, dass jedes weitere Wort nur Zeitverschwendung war. Er deutete ein einseitiges Schulterzucken an und schwieg.
    »Ich möchte kein Feuer machen«, fuhr Lea fort. »Wir sind zwar noch ein gutes Stück vom Dorf entfernt, aber ich will das Wagnis trotzdem nicht eingehen, dass jemand den Feuerschein sieht.« Sie machte eine flatternde Handbewegung auf die Decken und Fellbündel zu ihren Füßen. »Du kannst hier auf dem Wagen schlafen, das ist sicher und auch ein wenig wärmer. Arianrhod und ich schlafen vorne bei den Pferden.«
    Dragosz blinzelte überrascht, und auch Arri sah ihre Mutter verständnislos an. Der Wagen war wahrhaftig groß genug für drei, und auch wenn sie das Schlimmste hinter sich hatte, so fühlte sie sich doch noch lange nicht wieder kräftig genug, um sich auf eine Nacht auf dem nackten, feuchtkalten Waldboden zu freuen. Lea hatte jedoch in einem Ton gesprochen, der keinen Widerspruch zuließ, und selbst wenn sich einer von ihnen dazu durchgerungen hätte, so hätte es wohl wenig Sinn gehabt, denn sie kletterte bereits wieder vom Wagen herab und winkte Arri dabei ungeduldig heran.
    Wahrscheinlich hatte ihre Mutter sie doch beobachtet, dachte Arri. Und die Vorstellung, dass sie eifersüchtig auf ihre eigene Tochter sein könnte, erschien ihr wirklich nur im allerersten Moment völlig unfassbar - gerade so lange, wie sie brauchte, um sich einzugestehen, dass es ihr eben noch andersherum genauso ergangen war. Mit einem letzten, bedauernden Blick in Dragosz' Gesicht stand sie auf und machte sich daran, ihrer Mutter zu folgen. Als sie dabei an ihm vorbeikam, raunte er ihr zu: »Vielleicht gelingt es dir ja, deine Mutter zur Vernunft zu bringen. Du musst es versuchen. Auf mich hört sie nicht, aber ihr seid in Gefahr, glaub mir.«
    Als ob Lea ausgerechnet auf sie hören würde! Arri antwortete trotzdem mit einem angedeuteten Nicken, schon um ihn zu beruhigen, auch wenn sie kaum mit ihrer Mutter darüber sprechen würde. Umständlich folgte sie ihr. Ihre verbundene Hand behinderte sie so sehr, dass sie um ein Haar gefallen wäre, als sie vom Wagen herunterkletterte, und schon die wenigen Schritte hin zum Waldrand und der Stelle, an der ihre Mutter auf sie wartete, erschöpften sie spürbar. Bei dem bloßen Gedanken an den Marsch, der morgen vor ihnen lag, krampfte sich ihr schon der Magen zusammen.
    Lea empfing sie mit einem Blick, der aus ihrer vagen Sorge endgültig Gewissheit machte: Sie

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