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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht noch abfälliger fortgefahren: »Die Wachen rufen?« Er lachte. »Was glaubst du, was sie mit dir tun würden, was ich ganz bestimmt nicht tue?«
    »Glaubst du, das macht mir Angst?«, fragte Arri patzig. Natürlich machte es ihr Angst. Die bloße Vorstellung war schon fast mehr, als sie ertragen konnte. Trotzdem fuhr sie in noch höhnischerem, ganz bewusst verletzend gemeintem Ton fort: »Ruf doch deine Wachen, wenn du glaubst, dass mich das beeindruckt. Sollen sie doch mit mir machen, was sie wollen! Das ist mir noch immer hundertmal lieber, als wenn du es tust.«
    Sie konnte Rahns Gesicht nicht sehen, und er gab auch nicht den geringsten Laut von sich, aber sie spürte, wie sehr ihn ihre Worte trafen. Für einen Moment wurde es sehr still. Mit dem nächsten Atemzug bedauerte sie ihre Worte so sehr, dass sie sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte, und wäre auch nur noch ein einziger, weiterer Moment verstrichen, so hätte sie Rahn um Verzeihung gebeten und ihm zu erklären versucht, dass es nur Angst und Unsicherheit und kindischer Trotz waren, die sie das hatten sagen lassen.
    Rahn gab ihr diesen Moment nicht. Gerade als Arri dazu ansetzte, etwas zu sagen, stand er mit einem Ruck auf, beugte sich dann noch einmal - sehr schnell - herab, um die beiden Schalen aufzusammeln, in denen er ihr Wasser und Essen gebracht hatte, und wich dann mit einer zornigen Bewegung endgültig in die Dunkelheit zurück. Sie konnte hören, wie er sich an der Tür zu schaffen machte.
    »Wenn es mir gelingt, mich an den Wachen vorbeizuschleichen, dann bringe ich dir in der nächsten Nacht wieder etwas zu essen«, sagte er. »Aber verlass dich besser nicht darauf. Nors Männer sind wachsam.« Und damit öffnete er die Tür. Arri sah für einen winzigen Augenblick den schmalen Ausschnitt eines wolkenverhangenen Nachthimmels und flackernde, düsterrote Glut, die irgendwo von links kam, dann schlüpfte er durch den Spalt hinaus, und die Tür schloss sich wieder hinter ihm. Sie hörte noch, wie etwas mit einem schweren Geräusch vorgelegt wurde, vermutlich ein Riegel, dann war sie wieder allein.
    Vollkommene Dunkelheit hüllte sie ein.
    Arri saß lange, sehr, sehr lange in dieser absoluten Schwärze da, und sie merkte nicht einmal selbst, wie sie sich in den Schlaf weinte.

28
    Arri bekam hinlänglich Gelegenheit, sich über ihre eigenen, dummen Worte zu ärgern, aber auch über das nachzudenken, was Rahn gesagt hatte - und so ganz nebenbei auch ihr Knie auszukurieren. Sie erwachte am nächsten Morgen erst eine ganze Weile nach Sonnenaufgang, und sie fühlte sich unausgeschlafen und müder als zuvor und mindestens so hungrig und durstig wie vor Rahns Besuch. Trotz der hämmernden Schmerzen in ihrem Bein quälte sie sich auf die Füße, humpelte zur Tür, hämmerte mit den Fäusten dagegen und schrie so lange, bis sie nahezu heiser war und ihre Kehle schmerzte, aber niemand kam, um nach der Ursache des Lärms zu sehen oder sich gar nach ihrem Befinden zu erkundigen.
    Erst gegen Mittag ging die Tür ihres Gefängnisses auf, und zwei in schwarze Fellmäntel gekleidete Krieger traten ein. Während sich der eine drohend mit seinem Speer aufbaute und dabei ein so grimmiges Gesicht machte, dass Ari wahrscheinlich laut aufgelacht hätte, wäre da nicht zugleich etwas in seinen Augen gewesen, was ihr klarmachte, dass er nur nach einem Vorwand suchte, um sie auf der Stelle zu töten, brachte ihr der andere zwei flache hölzerne Schalen, die er so weit von ihr entfernt auf den Boden stellte, wie es hier drinnen überhaupt nur möglich war, bevor die beiden sich fast fluchtartig wieder zurückzogen und die Tür hinter sich verrammelten.
    Und das war dann auch schon so ziemlich alles, was an diesem Tag geschah. Die beiden Schalen enthielten ein paar Schlucke brackig schmeckendes Wasser und eine kleine Portion desselben Breis, den Rahn ihr in der vergangenen Nacht gebracht hatte; gerade genug, um ihren Magen wieder daran zu erinnern, dass er ja eigentlich schon beim Aufwachen geknurrt hatte, und auf gar keinen Fall genug, um ihren Hunger zu stillen.
    Niemand kam, um die leeren Schalen zu holen, und es kam auch niemand, um ihr eine zweite Mahlzeit oder auch nur einen Schluck Wasser zu bringen.
    Rahn kehrte erst lange nach Dunkelwerden wieder zu ihr zurück. Arri hatte schon ungeduldig auf ihn gewartet, und er hatte die Tür noch nicht einmal ganz hinter sich geschlossen, da bestürmte sie ihn schon mit Fragen, in die sie die schüchternen Versuche

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