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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Nor bringen würde, dem uneingeschränkten Herrscher nicht nur über dieses Heiligtum, sondern auch über das Land und alle Dörfer im weiten Umkreis, und sie hatte sich diesen Moment - natürlich - hundertfach und in den schwärzesten Farben ausgemalt. Aber rein gar nichts geschah. Lange Zeit, nachdem es dunkel geworden war, schlich sich Rahn wieder in ihre Kammer, brachte ihr zu essen und Wasser, und er ging auch diesmal wieder, ohne ein einziges Wort gesagt oder auch nur eine ihrer Fragen beantwortet zu haben. Arri schlief auch in dieser Nacht mit knurrendem Magen, schrecklichem Durst und dumpfem Schmerz im Knie ein.
    Auf diese Weise verging auch noch der nächste Tag. Die Krieger kamen und brachten ihr - viel zu wenig - Essen und Wasser, und Arri verbrachte die Zeit bis zum Sonnenuntergang damit, das graue Rechteck unter der Decke anzustarren und sich selbst in Gedanken mit einer erstaunlichen Vielfalt von Flüchen, Verwünschungen und Beleidigungen zu belegen, von denen sie zum Teil selbst nicht gewusst hatte, dass sie sie überhaupt kannte.
    Endlich wurde es dunkel. Das graue Herbstlicht hinter dem Fenster wich dem mit zahllosen, hell funkelnden Sternen übersäten Nachthimmel der ersten wolkenlosen Nacht, seit man sie hierher gebracht hatte. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis Rahn kam, und heute, das nahm sie sich fest vor, würde sie ihn nicht wieder einfach so gehen lassen. Immerhin hatte er jetzt zwei Nächte Zeit gehabt, den zu Unrecht Verletzten zu spielen, und was genug war, war genug. Wenn sie ihren Stolz herunterschlucken musste, um ihn zum Reden zu bringen, nun, dann würde sie das eben tun.
    Allein - Rahn kam in dieser Nacht nicht.
    Die Zeit schlich dahin, und wie immer, wenn man auf ihr Verstreichen wartete, schien sich plötzlich jeder Atemzug zu einer kleinen Ewigkeit zu dehnen.
    Arri stand mit trotzig verschränkten Armen und gegen die Wand gelehnt da, starrte den Sternenhimmel über dem Fenster an und wartete darauf, dass die Tür aufging und Rahn hereinkam, aber er kam nicht.
    Der Nachtzenit war bereits überschritten.
    Rahn kam immer noch nicht.
    Arri wartete weiter, bis ihr Rücken und vor allem ihr Bein so heftig schmerzten, dass sie es einfach nicht mehr aushielt und sich wieder in ihrem Winkel unter dem Fenster zusammenkauerte. Irgendwann verlangten Erschöpfung und Müdigkeit ihren Preis, und sie schlief ein, um am nächsten Morgen mit schmerzendem Kopf und Nacken und vollkommen niedergeschlagen wieder aufzuwachen; und so hungrig, dass ihr schon beim bloßem Anblick der beiden leeren Schüsseln von gestern beinahe übel wurde.
    Warum war Rahn nicht gekommen?
    Hatten ihn die Wachen überrascht, als er versucht hatte, sich zu ihr zu schleichen? Arri dachte ernsthaft über diese Möglichkeit nach, entschied sich aber dann für ein klares Nein als Antwort. Sie hätte etwas davon mitbekommen, da war sie sich sicher. Wachen machten schließlich wenig Sinn, wenn sie nicht vor der Tür oder zumindest in unmittelbarer Nähe des Gebäudes standen, und hätten sie Rahn ergriffen, während er versuchte, zu ihr zu gelangen, dann hätte sie es ganz bestimmt gehört. Die dicken Mauern und die kaum weniger dicke Tür verschluckten zwar nahezu jeden Laut, der von draußen hereindringen wollte, aber es war trotzdem nicht vollkommen still. Dann und wann hörte sie Stimmen, Wortfetzen oder ein entferntes Gelächter, einmal das jämmerliche Quietschen eines Schweins, das wahrscheinlich gerade geschlachtet wurde, und während der Nacht hatte sie geglaubt, so etwas wie Gesang zu vernehmen, der aber zu schnell wieder verstummt war, als dass sie sicher sein konnte.
    Einen Streit oder gar die Geräusche eines Kampfes unmittelbar vor der Tür hätte sie ganz bestimmt gehört.
    Die andere Möglichkeit, die sich unweigerlich aus dieser Antwort ergab, gefiel ihr allerdings noch viel weniger: nämlich die, dass Rahn in der vergangenen Nacht nicht hatte kommen wollen. Hatte sie ihn mit ihren unbedachten Worten so sehr verletzt? Arri konnte sich das nicht vorstellen, schon gar nicht angesichts dessen, was sie am ersten Abend in seinen Augen gelesen hatte. aber schließlich war Rahn ein Mann, und man wusste nie, auf welch kruden Pfaden sich die Gedanken eines Mannes bewegen mochten.
    Die Zeit, bis die Wachen kamen, um ihr zu essen zu bringen, schien kein Ende zu nehmen. Arri wich hastig in ihren Winkel unter dem Fenster zurück, als sie das Scharren des schweren Riegels hörte, doch als sie die beiden nur halb

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