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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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antwortete nicht, schon weil sie es gar nicht konnte, aber Rahn schien es wohl auch so zu erraten oder an ihrer unnatürlich verkrampften Haltung abzulesen. Er sah ihr einen Herzschlag lang aufmerksam ins Gesicht, dann wich er in der Hocke ein Stück zurück, beugte sich über sie und schob ihren Rock nach oben - deutlich höher, als nötig gewesen wäre, um ihr Knie in Augenschein zu nehmen, wie Arri fand.
    »Das sieht nicht gut aus«, sagte er, nachdem er ihr Bein einige Augenblicke lang - und Arris Meinung nach auch jetzt deutlich länger als notwendig, wobei sich seine Untersuchung ganz und gar nicht nur auf ihr Knie beschränkte - in Augenschein genommen hatte.
    »Vielen Dank auch für die netten Worte«, gab Arri zurück. Dass ihre Stimme zitterte und sie dabei die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht vor Schmerz zu stöhnen, verdarb ihr zwar ein wenig die beabsichtigte Wirkung, aber sie fuhr trotzdem fort: »Es ist noch gar nicht so lange her, da hat es dir offensichtlich besser gefallen.«
    Rahn tat so, als hätte er die Spitze nicht verstanden, und noch vor wenigen Tagen hätte Arri ihm das sogar geglaubt. Jetzt war sie nicht mehr sicher. Der Rahn, der zu ihr in diese Kammer gekommen war, schien nicht mehr viel mit dem tumben Fischer gemein zu haben, den sie zeit ihres Lebens gekannt hatte. Sie fragte sich plötzlich, ob sie ihn tatsächlich gekannt hatte.
    Einen Moment später keuchte sie vor Schmerz auf und konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken, als Rahn sich abermals vorbeugte und mit den Fingerspitzen, aber alles andere als vorsichtig über ihre angeschwollene Kniescheibe und das aufgedunsene Fleisch darunter tastete. Es tat so weh, dass ihr übel wurde.
    »Entschuldige. Ich wollte dir nicht wehtun.« Rahn schüttelte den Kopf. »Aber es scheint nicht gebrochen oder ernsthaft verletzt zu sein. Ich verstehe zwar nicht so viel davon wie deine Mutter, aber ich glaube, es kommt wieder in Ordnung, wenn du dein Bein ein paar Tage schonst.«
    »Wie schade«, presste Arri zwischen immer noch zusammengebissenen Zähnen hervor. »Dabei hatte ich doch vor, gleich morgen nach Sonnenaufgang einen langen Spaziergang zu machen.«
    »Daraus wird wohl nichts«, gab Rahn in vollkommen ernstem Ton, dennoch aber mit einem angedeuteten Lächeln und einem mehr als angedeuteten, spöttischen Aufblitzen in den Augen zurück. »Es tut mir wirklich Leid.«
    »Ja, ganz bestimmt«, erwiderte Arri gepresst. »Wie sehr du dich um mein Wohl gesorgt hast, das habe ich auf dem Weg hierher gemerkt. Vielen Dank auch noch mal.«
    Rahn fuhr eindeutig schuldbewusst zusammen, und allein dass sie sah, wie sehr ihre Worte ihn trafen, ließ sie im gleichen Tonfall hinzufügen: »Aber was habe ich anderes erwartet, von einem Verräter wie dir?«
    »Ich habe euch nicht verraten«, sagte Rahn. Dasselbe hatte er vorher schon gesagt, aber da war er nur eine Stimme ohne Körper gewesen, irgendwo verborgen in den Schatten auf der anderen Seite des Raumes. Nun sah sie in seine Augen, während er sprach, und da war keine Spur von Lüge, von Heimtücke oder auch nur Trotz. Er hörte sich verletzt an; ein Mann, dem man Unrecht getan hatte und den dies schmerzte.
    »Natürlich nicht«, gab Arri zurück. »Ich bin sicher, du warst nur ganz zufällig dabei, als Sarn und seine Krieger uns eingeholt haben.«
    »Ich habe auf euch gewartet«, erwiderte Rahn, »genau wie deine Mutter es von mir verlangt hatte. Als sie nicht gekommen ist, habe ich mir dann Gedanken gemacht. Es war Lea. Ich habe mein Wort nicht gebrochen.«
    Arri presste die Lippen zusammen und starrte ihn an. Was sollte sie auch anderes tun? Er hatte ja Recht.
    »Ich wollte zurückgehen, um nachzudenken und mir darüber klar zu werden, was ich tun sollte«, fuhr er fort, leise, aber plötzlich eindeutig im Tonfall trotziger Verteidigung. Er hob die Schultern. »Auf halbem Weg ist mir Sarn zusammen mit den Kriegern aus Goseg entgegengekommen. Er hat mich gefragt, wo ich herkomme, und ich habe die Wahrheit gesagt und geantwortet, dass ich im Haus deiner Mutter war, um mit ihr zu reden. Er hat mir befohlen, ihn und die Krieger zu begleiten. Was hätte ich wohl tun sollen - deiner Meinung nach?«
    Arri fielen auf Anhieb ein Dutzend Dinge ein, die er besser getan hätte, statt sich dem Schamanen und den Kriegern anzuschließen, aber das tat nun nichts mehr zur Sache. Sie starrte Rahn nur weiter durchdringend und mit einem Zorn in den Augen an, den sie nur noch mit immer größerer Mühe

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