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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erkannt, dass du uns lebend von größerem Nutzen bist als tot, aber das heißt nicht, dass er weniger gefährlich wäre. Ganz im Gegenteil. Er wird so oder so alles erfahren, was er von dir wissen will. Die Frage ist nur, wie schlimm es für dich wird.«
    Wenn er es darauf angelegt hatte, ihr Angst zu machen, dachte Arri, dann war es ihm gelungen. Trotzdem zwang sie sich noch einmal zu einem Grinsen und fragte mit einem treuherzigen Augenaufschlag: »Wenn er glaubt, einer Hexe wie mir damit Angst machen zu können, hat er sich aber schwer getäuscht.«
    Diesmal blitzte es eindeutig wütend in Rahns Augen auf, und sie sah, wie er zu einer entsprechenden Antwort Luft holte, es dann aber nur bei einem Seufzen und einem angedeuteten Kopfschütteln beließ. Plötzlich stand er auf. »Also gut«, sagte er, lauter und in verändertem Tonfall. »Du hast noch ein wenig Zeit, um nachzudenken. Aber nicht mehr allzu viel.«
    »Wieso?«, fragte Arri. Worüber nachzudenken?«
    »Zum Beispiel über die Frage, was du den Menschen hier schuldig bist«, antwortete Rahn, »und sie dir. Nor hat einen Boten ins Dorf geschickt, der Sarn und den blinden Schmied nach Goseg bringen soll. Sobald sie eintreffen, werden sie zu Gericht über dich sitzen. Morgen, spätestens aber am Tag danach.«
    »Über mich?«, wiederholte Arri verständnislos. »Aber wieso über mich? Ich. ich habe nichts getan!«
    Rahn hob übertrieben die Schultern, wie um klarzumachen, dass ihn das nichts anging und auch nicht wirklich kümmerte. »Ich sorge dafür, dass du morgen etwas Anständiges zu essen bekommst«, sagte er, statt auch nur mit einer einzigen Silbe auf ihre Frage einzugehen. Dann wandte er sich um, machte einen Schritt in Richtung der Tür und blieb noch einmal stehen. Sein Gesicht war wieder im Schatten verschwunden, sodass Arri es nicht erkennen konnte, aber sie hörte, wie er übertrieben schnüffelte.
    »Und einen Eimer Wasser«, fügte er hinzu. »Du stinkst, als hättest du drei Jahre in der Jauchegrube gelegen.«

29
    Rahn hielt Wort - zumindest, was den ersten Teil seines Versprechens anging. Die Männer, die am nächsten Tag zu ihr kamen, um ihr Essen und Wasser zu bringen (es waren nicht Jamu und sein Kamerad, die sie kannte), behandelten sie zwar nicht unbedingt freundlich, aber auch nicht mehr wie ein gefährliches Tier, und das Essen, das sie brachten, schmeckte zwar keinen Deut besser als zuvor, dafür fiel aber die Portion deutlich größer aus, sodass sie zum ersten Mal seit ihrem Erwachen in diesem steinernen Käfig vielleicht nicht wirklich satt war, aber auch nicht mehr das Gefühl hatte, verhungern zu müssen. Wasser zum Waschen wurde ihr nicht gebracht, und es schien auch so, dass Sarn und wen auch immer Nor aus dem Dorf hierher befohlen hatte, noch nicht in Goseg eingetroffen waren, denn der Tag ging zu Ende, ohne dass irgendjemand sie holte, und Rahn kam in der darauf folgenden Nacht nicht mehr zu ihr.
    In der nächsten auch nicht.
    Es vergingen noch zwei weitere Tage, bis sich etwas an der Eintönigkeit änderte, mit der die Zeit verstrich. Kurz nach Sonnenaufgang des dritten Tages seit ihrem Gespräch mit dem Fischer (Arri war mittlerweile übrigens sicher, dass Rahn alles war, nur kein Fischer) wurde die Tür ihres Gefängnisses unsanft aufgestoßen, und ihre beiden neuen Bewacher kamen herein. Sie brachten weder Essen noch Wasser, sondern bedeuteten ihr nur mit befehlenden Gesten, aufzustehen und ihnen nach draußen zu folgen.
    Arri erhob sich zwar gehorsam und machte einen ersten, noch zögernden Schritt zur Tür hin, was ihr Knie mit einem scharfen Stich quittierte, blieb dann aber unvermittelt stehen, hob die linke Hand über die Augen und blinzelte geblendet in das grelle Licht des Morgens. Der Himmel war bedeckt, und allein der schneidende Wind, der ihr entgegenschlug und so spielend durch ihre Kleider drang, als wären sie gar nicht vorhanden, überzeugte sie davon, dass die Sonne am Himmel gar nicht so hell sein konnte, wie es ihr vorkam. Die Luft roch so intensiv nach Schnee, dass sie beinahe überrascht war, es nicht unter ihren nackten Füßen knirschen zu hören, als einer der beiden Männer sie mit einer unwilligen Bewegung aufforderte weiterzugehen. Doch ihre Augen hatten sich an das trübe Zwielicht des fast fensterlosen Gefängnisses gewöhnt, in dem sie so viele Tage verbracht hatte. So sehr sie es sich auch gewünscht hatte, die steinernen Wände ihres Kerkers mit bloßen Händen einreißen zu können,

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