Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
schien die ungewohnte Weite, in die sie nun hinaustrat, doch plötzlich von allen Seiten auf sie einzustürmen und ließ sie schwindeln.
    Sie taumelte, griff unwillkürlich Halt suchend um sich und bekam tatsächlich etwas zu fassen; etwas, das warm und struppig war und mit einem unwilligen Laut auf die grobe Berührung reagierte. Im nächsten Augenblick spürte sie einen Schlag ins Gesicht, der nicht wirklich hart genug war, um wehzutun oder sie gar von den Füßen zu reißen, in seiner Bedeutung aber unmissverständlich war. Ihre neuen Bewacher mochten rücksichtsvoller sein als Jamu und sein Begleiter, doch auch ihre Langmut hatte Grenzen.
    Arri fand mit einem raschen Schritt ihr Gleichgewicht wieder, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, um sich davon zu überzeugen, dass ihre Lippen nicht aufgeplatzt waren, und beeilte sich dann weiterzugehen, als der Mann, an dessen Haar sie sich gerade versehentlich festgehalten hatte, eine nun eindeutig zornige Geste machte. Immerhin hatte der kurze Zwischenfall ihren Augen Gelegenheit gegeben, sich an das grelle Licht zu gewöhnen, sodass sie nun nicht mehr das Gefühl hatte, ständig durch einen Schleier aus Tränen hindurchsehen zu müssen.
    Was sie erblickte, war allerdings eher eine Enttäuschung. In jener Zeit ihrer Gefangenschaft, in der sie nicht mit dem Schicksal gehadert, über Rahn oder Nor nachgedacht oder sich gewünscht hatte, dass ihre Mutter kam, um diesem Albtraum endlich ein Ende zu bereiten, hatte sie sich vorzustellen versucht, was jenseits der undurchdringlichen Mauern ihres Gefängnisses liegen mochte. Aber die Wahrheit blieb selbst hinter ihrer vorsichtigsten Vorstellung zurück. Wenn das hier tatsächlich Goseg war, dann war es vollkommen anders, als sie es sich ausgemalt hatte. Es gab keine goldenen Türme und trutzigen Mauern, keine prachtvollen Straßen und Säulenhallen und gepflasterten Plätze wie die aus ihrer Heimat, von denen ihr Lea an einem stillen Abend erzählt hatte.
    Das Haus, in dem sie eingesperrt gewesen war, befand sich auf der Schmalseite eines kleinen, halbrunden Platzes, dessen Abmessungen hinter denen ihres heimatlichen Dorfplatzes eindeutig zurückblieben. Das einzig Besondere hier war vielleicht, dass sämtliche Gebäude aus Stein errichtet waren, doch es war nur eine Hand voll, und sie waren eher klein - nicht deutlich größer als die Hütten, in denen die Menschen in ihrem Dorf lebten. Die Gucklöcher waren winzig, gerade handbreite Öffnungen, die wie furchtsam blickende Augen unter den weit überhängenden Dächern hervorlugten. Zwischen den einzelnen Gebäuden befanden sich nur schmale Lücken, kaum breit genug, um jemandem von ihrer Statur Durchlass zu gewähren, geschweige denn einem Erwachsenen, die dafür aber allen möglichen Unrat beherbergten, während der Platz selbst tadellos ordentlich und sauber wirkte.
    Auf der anderen Seite lag eine etwas breitere Straße, die nach vielleicht einem oder zwei Dutzend Schritten vor einer mehr als mannshohen Palisadenwand aus angespitzten Baumstämmen endete, in der sich ein zweiflügeliges Tor befand, das im Augenblick allerdings geschlossen war. Ganz offensichtlich war Goseg umfriedet, aber das war auch schon alles, was sie darüber sagen konnte, und ihr blieb keine Zeit für einen zweiten, aufmerksameren Blick in die Runde, denn ihre Bewacher führten sie nicht fort, sondern nur geradewegs auf die andere Seite des Platzes und in ein weiteres, steinernes Gebäude.
    Wie das Haus, in dem sie gefangen gewesen war, bestand es nur aus einem einzigen, rechteckigen Raum, der allerdings vier schmale Gucklöcher hatte - zwei auf jeder Seite - und nicht leer war. Arri erblickte eine erloschene Feuerstelle, deren weiße Asche noch nicht allzu lange erkaltet sein konnte, denn es war hier drinnen merklich wärmer als draußen auf dem Platz oder auch nur in ihrer Unterkunft, ferner eine niedrige Lagerstatt mit einer aus Gras geflochtenen Matratze, die sich in einem so erbärmlichen Zustand befand, dass Arri sie längst fortgeworfen und eine neue geflochten hätte, sowie mehrere wenig kunstvoll angefertigte Bastkörbe mit einem schweren Tongefäß unbekannten Inhalts, das mit einem ölgetränkten Lappen verschlossen war. Darüber hinaus gab es zwei hölzerne Eimer randvoll mit Wasser, zwischen denen ein niedriger, dreibeiniger Schemel stand, auf dem etwas lag, das Arri im ersten Moment für ein schmutziges Tuch hielt, bis sie erkannte, dass es ein Kleid war.
    »Wasch dich«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher