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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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uns begangen haben, auch ich, wie ich gern zugeben will.« Er hob die Stimme noch weiter, und obwohl er sich nun scheinbar direkt an Arri wandte, wurde aus seinen Worten plötzlich eine flammende Rede, die viel weniger ihr als mehr den versammelten Männern und Frauen im Haus galt.
    »Reichtum und Wohlstand haben mit deiner Mutter Einzug in unsere Dörfer gehalten«, fuhr er fort. »Die Menschen haben die Gaben angenommen, die die fremden Götter gebracht haben, welche zusammen mit dir und deiner Mutter zu uns gekommen sind, auch viele von uns hier, ja, selbst ich! Es hat lange gedauert, doch nun haben die Götter zu mir gesprochen, und ich habe die Wahrheit erkannt.«
    »Welche Wahrheit?«, fragte Arri verächtlich. »Dass Sarn ein dummer alter Narr ist, der um seine Macht fürchtet?«
    »Dass deine Mutter niemals in guter Absicht zu uns gekommen ist«, antwortete Nor ungerührt. Er wurde nicht wütend, sondern lächelte ganz im Gegenteil plötzlich. »Dass du es nicht glaubst, wundert mich nicht, mein Kind. Sie ist deine Mutter, und welches Kind würde wohl seine Mutter nicht verteidigen?« Er kam ihrem Protest zuvor, indem er fast sanft den Kopf schüttelte und mit deutlich milderer und - wie es schien - um Verständnis bittender Stimme fortfuhr: »Ich fürchte, es gibt nichts mehr, was ich noch für deine Mutter tun könnte. Sie hat ihre Seele den finsteren Göttern aus ihrer Heimat verschrieben, und schlimmer noch, sie hat sich mit unseren Feinden zusammengetan, um uns zu verderben.«
    »Aber das ist doch nicht wahr!«, begehrte Arri auf. Unwillkürlich machte sie einen Schritt in Nors Richtung und hob die Arme, nicht um ihn anzugreifen, sondern einfach nur, um verzweifelt damit zu gestikulieren. Ihre beiden Bewacher schienen die Bewegung jedoch gründlich misszuverstehen, denn einer von ihnen riss sie grob an der Schulter zurück, während der andere ihr Handgelenk packte und Anstalten machte, ihr den Arm auf den Rücken zu drehen.
    »Lasst sie los!«, sagte Nor scharf. Die beiden Männer, die Arri gepackt hatten, zögerten noch einen spürbaren Moment, dann aber ließ der eine ihre Schulter und einen Atemzug darauf der andere auch ihren Arm los. Arri machte einen taumelnden Schritt zur Seite, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen, und rieb sich ihr Handgelenk.
    Es tat so weh, als hätte der Kerl mit der festen Absicht zugegriffen, ihr den Arm zu brechen.
    »Du glaubst also immer noch nicht, dass deine Mutter unser Verderben im Sinn hat?«, fuhr Nor fort. Arri hütete sich, darauf zu antworten. Nor seufzte. Ein Ausdruck von Trauer huschte über sein Gesicht, gerade schnell genug, dass jeder, der ihn sah, glauben musste, es sei gegen seinen Willen geschehen und er versuche seine wahren Gefühle und Absichten zu verbergen, damit niemand erkannte, wie Leid ihm das uneinsichtige Kind einer verderbten Mutter, das da vor ihm stand, in Wahrheit tat. Wenn schon nichts anderes, dachte Arri, so war Nor doch zumindest ein ausgezeichneter Schauspieler.
    »Kron, warum erzählst du uns nicht, wie es dir und deinen Brüdern ergangen ist, als ihr die Fremden getroffen habt?«, fragte Nor.
    Überrascht sah Arri zu dem einarmigen Jäger hin. Sie hatte sich schon gefragt, warum Nor auch ihn herbefohlen hatte, und sie hatte auch eine ungefähre Vorstellung gewonnen, aber mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet.
    Kron sah nur ganz kurz in ihre Richtung und beeilte sich dann, sich nicht nur direkt an den Hohepriester zu wenden, sondern auch mit schneller, hastiger Stimme zu antworten, wobei er im Prinzip dieselbe unsinnige Geschichte erzählte, die Grahl und er damals nach ihrer Rückkehr zum Besten gegeben hatten; dass sie harmlos und ohne böse Absichten auf eine Gruppe Fremder gestoßen wären, die sie gänzlich ohne Grund angegriffen, seinen Bruder getötet und ihn schwer verwundet hätten, nur dass er sie diesmal mit noch mehr blutrünstigen und vollkommen unglaubwürdigen Einzelheiten ausschmückte. Als er fertig war, hätte man glauben können, er ganz allein habe eine wilde Horde in die Flucht geschlagen und sie nur deshalb nicht endgültig besiegt, weil sie unlauter gekämpft hätten und in großer Überzahl über ihn hergefallen wären. Arri hatte die Geschichte ein wenig anders in Erinnerung, und selbst Nor, der dem Einarmigen zweifellos Wort für Wort vorgegeben hatte, musste sich sichtlich beherrschen, um ihn gegen Ende nicht rüde zu unterbrechen. Anscheinend tat Kron entschieden zu viel des Guten. Die eine oder

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