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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stock und wies damit anklagend zuerst auf Achk, dann auf den einarmigen Jäger. »Es sind Männer wie sie, aus denen euer Volk nun zu einem Gutteil besteht. Krüppel und Kranke!«
    Nicht nur Arri zog bei diesen Worten überrascht die Augenbrauen zusammen. Auch Kron wirkte im allerersten Moment irritiert und schien nicht wirklich zu verstehen, was Nor da gerade gesagt hatte, während Achk wie unter einem Peitschenhieb zusammenfuhr und dann hilfloser denn je aussah.
    »Ja, euer Dorf erlebt eine Zeit der Blüte und des Wohlergehens«, fuhr Nor fort, nun wieder mit erhobener, fast beschwörender Stimme. »Unser Volk ist so zahlreich und wohlgenährt wie nie, aber was ist das für ein Volk? Die Götter haben uns erschaffen, damit wir stark sind, um uns die Welt Untertan machen und unsere Feinde zerschmettern zu können. Das Leben, das sie uns gegeben haben, ist voller Gefahren und hart, doch das ist auch gut so, denn nur so können wir stark genug sein, um zu überleben. Unser Volk war einst mächtig, und unsere Krieger überall gefürchtet. Und was sind wir heute, nur wenige Sommer, nachdem deine Mutter mit ihren falschen Gaben zu uns kam? Wer von unseren Feinden zittert heute noch vor uns?« Er stampfte mit seinem Stock auf. »Keiner! Unser Volk mag zahlreich sein wie nie, doch wir sind keine Krieger mehr, und unsere Feinde lachen über uns. Was sind das für Leben, die deine Mutter uns geschenkt hat? Die Schwachen und Kranken, von den Göttern dazu bestimmt, zu sterben! Die Krüppel und Hilflosen, die von der Arbeit der anderen leben und selbst nichts zum Wohl der Gemeinschaft beitragen können. Nur so wenige Sommer haben gereicht, um aus einem stolzen Volk leichte Beute für jeden zu machen, der es sich nehmen will.«
    »Ihr wisst, dass das nicht stimmt«, sagte Arri, nun mit sehr leiser, aber auch sehr fester Stimme.
    »Nein?«, wiederholte Nor lauernd. »Dann ist es nicht wahr, dass es deiner Mutter nicht gereicht hat, diese beiden tapferen Männer zu verkrüppeln?« Er wies wieder mit dem Stock auf Achk und den Jäger. »Nein, sie musste ihnen auch noch ihren Stolz nehmen und sie und damit uns alle zum Gespött unserer Nachbarn machen!«
    »Aber wieso denn?«
    »Ein Blinder und ein Einarmiger!«, antwortete Nor, verächtlich und laut. »Sie will aus zwei halben Männern wieder einen ganzen machen, der noch dazu die wichtigste Arbeit verrichten soll, die es gibt?« Er lachte böse. »Und während all dieser Zeit kommen die Feinde näher. Sei endlich vernünftig, Kind. Ich bin für meine Großmut und Gnade bekannt, doch auch ich stehe nicht über dem Willen der Götter. Ich kann mit ihnen sprechen und um dein Leben bitten, doch nur, wenn du dich von den falschen Göttern lossagst, die deine Mutter in dein Herz gepflanzt hat, und ihrer schwarzen Kunst abschwörst!«
    Aber wie sollte sie denn Göttern abschwören, an die sie gar nicht glaubte?
    Um ein Haar hätte Arri diese Antwort laut ausgesprochen, aber sie beherrschte sich im letzten Moment. Wahrscheinlich machte es keinen Unterschied, und doch wollte sie Nor zumindest nicht die Genugtuung geben, ihm auch noch in die Hände zu spielen.
    Und - wer weiß? Vielleicht gab es die Götter ja doch. Dass Arri nicht an sie glaubte, bedeutete nicht, dass sie die Möglichkeit ihrer Existenz vollkommen ausgeschlossen hätte. Vielleicht war ja alles, was jetzt geschah, die Strafe dafür, dass sie sie so lange geleugnet hatte.
    »Also gut«, seufzte Nor, als sie immer mehr Zeit verstreichen ließ, ohne auf seine Worte zu reagieren. Er schüttelte müde den Kopf. »Ich habe getan, was die Barmherzigkeit und das Verständnis mit einem Kind, das nicht weiß, was es tut, von mir verlangen. Jetzt.«
    »Tötet sie!«, unterbrach ihn Sarn.
    Nor runzelte verärgert die Stirn, und Arri war ihm nahe genug, um zu erkennen, dass dieser Ärger nicht gespielt war. Sarns Ausbruch gehörte nicht zu dem sorgsam abgesprochenen Verlauf dieser so genannten Verhandlung. Er ärgerte den Hohepriester; er ärgerte ihn sogar über die Maßen. »Schweig!«, sagte er scharf. »Die Götter werden entscheiden, was weiter mit ihr geschieht.«
    Sarn schwieg nicht. Ganz im Gegenteil wandte er sich nunmehr ganz dem Hohepriester zu, und in seinen Augen blitzte es kampflustig.
    »Waren sie denn nicht deutlich genug?«, fragte er herausfordernd. »Wir haben ihren Unmut erregt! Wir alle! Unser ganzes Dorf, ich, Ihr, jeder hier! Die Götter sind erzürnt, weil wir uns von ihnen abgewandt haben, und sie verlangen

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