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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach Blut wie in den alten Zeiten!«
    Nors Lippen wurden schmal. Einen Moment lang war Arri fast sicher, dass er Sarn nun scharf in seine Schranken verweisen würde, doch er schüttelte nur leicht den Kopf, machte einen halben Schritt rückwärts und ergriff seinen Stab fester. »Dann werden wir die Götter fragen, was ihr Wille ist.«
    Sarn setzte abermals dazu an zu widersprechen, doch Nor fuhr rasch und mit nun deutlich erhobener Stimme fort: »Du hast Recht, Sarn. Es hieße, vorschnell zu handeln und die Götter vielleicht noch mehr zu erzürnen, würde ich mir anmaßen, ihren Willen zu deuten, nur um das Leben eines unschuldigen Kindes zu retten, das mein Herz berührt hat.«
    »Sind die Zeichen denn nicht deutlich genug?«, erwiderte Sarn verächtlich. Das kampflustige Funkeln in seinen Augen hatte nicht nachgelassen; ganz im Gegenteil. »Sie sind erzürnt, und es war seit jeher stets das Blut derer, die sich gegen sie vergangen haben, das einzig diesen Zorn besänftigen konnte!«
    Nor lächelte plötzlich, doch obwohl Arri sein Gesicht nur im Profil erkennen konnte, sah sie doch, dass in diesem Lächeln etwas war, das es ins genaue Gegenteil verkehrte. Sarn starrte noch immer trotzig zu ihm hoch, aber das herausfordernde Funkeln in seinen Augen erlosch, und nur einen Augenblick später konnte Arri regelrecht sehen, wie jede Kraft aus ihm zu weichen schien. Auch er machte einen halben Schritt zurück. Seine Schultern sanken kraftlos herab, und dann gelang es ihm nicht einmal mehr, Nors Blick standzuhalten. »Ganz, wie Ihr es sagt, Hohepriester.«
    Nor schüttelte, immer noch auf diese sonderbar kalte, Unheil versprechende Art lächelnd, den Kopf. »Nicht, was ich sage, ist wichtig.
    Heute Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht, werden wir ins Heiligtum hinaufgehen und den Rat der Götter einholen.«
    »Aber es ist noch nicht.«, begann Sarn.
    »Es ist nicht an der Zeit, sie anzurufen«, sagte Nor mit kalter, keinen Widerspruch duldender Stimme. »Das weiß ich sehr wohl. Wir haben ihnen nicht geopfert, und die Zeit reicht auch nicht, ein Opfer vorzubereiten, wie es sich gehört. Und dennoch bin ich sicher, dass sie unserer Bitte um Erleuchtung nachkommen werden. Jedermann soll es sehen.« Er hob seinen Stock, als wäre das tatsächlich noch nötig, um sich der allgemeinen Aufmerksamkeit sicher zu sein. »Ich will, dass jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, die in der Lage sind zu gehen, dabei sind. Du und ich, Sarn, wir werden die Götter gemeinsam anrufen, und es wird sich entscheiden, wer von uns im Recht ist.«
    Sarn wirkte regelrecht erschüttert. Arri wusste nicht, was er mit seiner Herausforderung überhaupt beabsichtigt hatte - Gerüchte, dass Sarn Nor seine Stellung als Hohepriester von Goseg neidete und nur zu gern seinen Platz eingenommen hätte, gab es schon lange. Wenn dieser ungeplante Auftritt eine Kraftprobe zwischen ihm und Nor sein sollte, dann hatte er sich nicht nur den denkbar ungünstigsten Moment dazu herausgesucht; Nors Reaktion war offensichtlich vollkommen anders, als er erwartet hatte. Er wirkte verstört. Und auch deutlich erschrocken. Aber schließlich senkte er demütig das Haupt und trat einen weiteren Schritt zurück.
    »So sei es«, sagte er.

30
    Die beiden Männer, die sie ins Langhaus begleitet hatten, führten sie auch wieder zurück in ihr Gefängnis. Der Weg aus dem Haus hinaus ins Freie wurde zu etwas wie einem Spottlauf, bei dem jemand, dem boshaftes Verhalten gegenüber der Gemeinschaft vorgeworfen wurde, unter Schimpf und Schande durch die Nachbarschaft gejagt wurde. Arri konnte sich hinterher dennoch nur noch verschwommen an das erinnern, was sie bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie in ihrem Heimdorf Zeugin eines Spottlaufs gewesen war, als so überaus schrecklich und demütigend empfunden hatte, und das ihr jetzt zum ersten Mal selbst widerfuhr. Es war wie ein Fiebertraum, schlimm, aber überwunden und nichts, was sie wirklich erschrecken konnte. Sie erinnerte sich an die hasserfüllten Blicke der Menschen, an Beschimpfungen und Flüche, die ihr zugerufen wurden, und auch an die eine oder andere vorwitzige Hand, die nach ihr zu schlagen versuchte, auch wenn ihre beiden Bewacher diese Versuche schnell und brutal im Keim erstickten.
    Auch auf dem Weg zurück über den Hügel und wieder in die versteinerte Stadt besann sie sich kaum. Erst, als sie wieder in ihr Gefängnis geführt wurde, als die Tür mit einem dumpfen Laut hinter ihr zuschlug und sie wieder in

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