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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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euch allen ihren Willen kundtun!«
    Seine dramatische Eröffnung sollte ihre Wirkung auf die Menge nicht verfehlen. Arri las noch immer Angst und pures Entsetzen auf zahlreichen Gesichtern, aber sie konnte die atemlose Ehrfurcht, die sich unter der Menge ausbreitete, fast körperlich spüren. Mehr als ein Mann und eine Frau sanken auf die Knie und senkten zitternd vor Furcht die Häupter, aber die Mehrzahl stand noch immer wie gelähmt da und starrte die halb nackte Gestalt des Hohepriesters an, von dessen Haut weiterhin dünner grauer Rauch aufstieg. Er hatte etwas von einem Dämon, fand Arri.
    Eine der Dienerinnen - Arri erkannte sie erst jetzt als Nors jüngere Frau, das Mädchen, das sie am Morgen so feindselig angestarrt hatte - kam heran und versuchte Nor seinen Umhang um die Schultern zu legen, aber er schob sie nur unwillig zur Seite und hob in der gleichen Bewegung die Arme.
    »Unser Bruder Sarn hatte Recht«, rief er mit lauter und nun wieder festerer Stimme. »Ich habe die Götter befragt, und sie haben mir ihren Willen offenbart!«
    Sarn drehte mit einem Ruck den Kopf und starrte aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen zu Nor hin, sagte aber nichts. Er wirkte mit einem Mal sehr aufmerksam.
    »Wir sind zu weich geworden«, fuhr Nor fort. »Unser Volk hat verlernt, für sein Überleben zu kämpfen und die nötige Härte walten zu lassen, und es ist wahr, dass sich unsere Feinde bereitmachen, uns zu überfallen und uns alles zu nehmen, wofür unsere Väter und deren Väter gekämpft und ihre Leben gegeben haben. Deshalb sei Folgendes beschlossen: Wir werden wieder nach den Regeln unserer Väter leben und nur die bei uns dulden, die für ihr Essen auch arbeiten können. Wir werden den alten Gesetzen gehorchen und die alten Götter anbeten und ihnen opfern, nicht fremden Göttern, die uns mit ihren Gaben einzulullen versuchen, damit unsere Wachsamkeit nachlässt und unsere Feinde leichtes Spiel mit uns haben.«
    Sarn wirkte plötzlich eher noch misstrauischer, kam aber trotzdem mit langsamen Schritten näher. Er stützte sich schwer auf seinen Stab, als bereite ihm das Gehen mit einem Male Mühe, und seine freie Hand suchte zusätzlich Halt an der Kante des schwarzen steinernen Altars und berührte dabei wie zufällig die Schale, aus der Nor die vermeintliche Glut genommen hatte. Seine Hand zuckte zurück, und ein plötzlicher Ausdruck von Schmerz verzerrte seine Lippen und verschwand dann wieder.
    Nor wartete reglos, bis der Schamane an seine Seite getreten war, und ließ auch dann noch eine weitere Zeitspanne verstreichen, bevor er sich halb umdrehte und gebieterisch auf Rahn wies. »Die beiden Männer, die du mitgebracht hast, können nicht länger in unserer Mitte bleiben. Wir alle wissen, was sie für uns getan haben, und in unseren Herzen wird immer ein Platz für sie sein, aber nicht mehr an unseren Feuern. Das haben die Götter über ihr weiteres Schicksal entschieden.«
    Krons Gesicht verlor jede Farbe, während der Schmied einfach nur verwirrt dreinblickte und offensichtlich nicht wirklich verstanden hatte, was Nors Worte bedeuteten. Rahn jedoch sog ungläubig die Luft ein und starrte den Hohepriester aus aufgerissenen Augen an. »Aber das. das könnt Ihr doch nicht machen«, stammelte er. »Nor!«
    »Schweig!«, fuhr ihn Sarn an. »Was fällt dir ein, dem Hohepriester zu widersprechen? Du hast seine Worte gehört!«
    »Aber das ist nicht gerecht!«, protestierte Rahn. »Du hast doch selbst gesagt, dass.«
    »Lass es gut sein, Sarn«, unterbrach ihn Nor. Er streckte den Arm aus, wie um Sarn die Hand auf die Schulter zu legen, führte die Bewegung dann aber im letzten Moment nicht zu Ende, sondern prallte fast erschrocken zurück, was Arri nicht verstand, obwohl sie das Gefühl hatte, es eigentlich verstehen zu müssen. »Du darfst Rahn nicht zürnen, Sarn. Diese Männer sind seine Freunde, die er sein Leben lang kennt, und er hat sie sicher im Vertrauen darauf hierher gebracht, dass die Götter auch jetzt wieder die gleiche Milde walten lassen werden, an die wir uns seit Längerem gewöhnt haben.«
    Sarn funkelte ihn an. Der Vorwurf in Nors Stimme war kaum noch verhohlen gewesen. Er schluckte die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag, im letzten Moment herunter, maß Nor noch einmal mit einem Blick, in dem sich beißender Zorn, aber auch mindestens ebenso starke Angst mischten, und wandte sich wieder zu Rahn und seinen beiden Begleitern um, vermutlich, um seinen Zorn nun an ihnen auszulassen.

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