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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Aber wenn, dann waren es nicht nur ihre Ohren gewesen. Auch auf Sarns faltenzerfurchtem Gesicht zeichnete sich für einen Moment ein Ausdruck ungläubiger Verblüffung ab, dann Fassungslosigkeit und jäh auflodernde Wut, und als Arri sich verstört umsah, erblickte sie auf den Gesichtern aller anderen dieselbe Überraschung und den gleichen Ausdruck ungläubigen Zweifels.
    Aber das konnte doch nicht sein. Sie. sie musste sich getäuscht haben!
    »Ihr. Ihr wollt mich nicht. nicht töten?«, murmelte sie stockend.
    »Nicht was ich will, zählt«, antwortete Nor. »Ginge es nach mir und dem Willen vieler anderer hier, so würdest du für die Schuld deiner Mutter bezahlen, wie es Sitte und Brauch bei uns ist. Aber die Götter haben entschieden, dein Leben zu verschonen. Du wirst eine der Unseren und kannst mit deiner Hände Arbeit den Schaden wieder gutmachen, den deine Mutter angerichtet hat.«
    Es fiel Arri immer noch schwer zu glauben, was sie hörte. Auch wenn sie dem groben Jamu als Eheweib versprochen war, hatte sie mittlerweile doch längst mit ihrem Leben abgeschlossen. Warum sollte Nor sie verschonen? Noch dazu jetzt, wo der Machtkampf zwischen ihm und Sarn so offensichtlich geworden war? Sarn würde rücksichtslos jede Gnade, die er ihr gegenüber walten ließ, zu seinem Vorteil nutzen und gegen ihn wenden!
    »Das. das kann nicht der Wille der Götter sein«, murmelte Sarn. Seine Stimme bebte, auch wenn das Zittern darin eher Unglauben und Fassungslosigkeit entsprang als Zorn. Er war noch viel zu überrascht, um wirklich wütend zu werden. »Sie. dieses Balg ist genau so schlimm wie seine Mutter, wenn nicht gefährlicher! Ihr legt eine Schlange an Eure Brust, Nor!«
    Arri behielt die beiden ungleichen Männer aufmerksam im Auge, aber ihr entging dennoch nicht die Reaktion der anderen hier. Nicht nur auf den Gesichtern der Priester, die auf der anderen Seite des Altars standen, zeigte sich ein Ausdruck von Unmut, hier und da wurde auch schon wieder ein unwilliges Murren laut oder das eine oder andere geflüsterte Wort, das klarmachte, dass die Menschen hier nicht unbedingt einverstanden mit Nors Entscheidung waren.
    »Zweifelst du den Willen der Götter an?«, fragte Nor kalt. Er deutete mit einer verächtlichen Geste auf den Altar und den noch immer glimmenden Reisighaufen. »Wenn es so ist, dann frage sie selbst.«
    Sarn ging gar nicht auf diese Herausforderung ein - und was hätte er auch schon tun sollen? - , aber er strich sich mit der freien linken Hand über die Finger der rechten, die er sich gerade an der Opferschale verbrannt hatte, vermutlich, ohne es selbst auch nur zu merken. Auf seinem Gesicht lieferten sich Wut und Enttäuschung einen stummen Zweikampf, aber schließlich senkte er demütig das Haupt und trat, ohne noch ein Wort gesagt zu haben, einen Schritt zurück.
    »Die Götter haben entschieden, und so soll es geschehen«, sagte Nor noch einmal. Er maß Arri mit einem sonderbaren Blick, den sie zwar nicht deuten konnte, der aber plötzlich viel sanfter und verständnisvoller war als alles, was sie jemals an ihm gesehen hatte, hob dann müde den Kopf und schien jemanden zu suchen.
    »Geht jetzt wieder an eure Arbeit«, fuhr er fort. »Es ist genug für einen Tag. Wir wollen die Götter nicht erzürnen, indem wir über ihren Beschluss reden und ihn in Zweifel ziehen. Ich bin erschöpft und muss mich ausruhen. Wartet eine Weile, und dann bringt Jamu zu mir und das Mädchen. Die Vermählung wird noch heute stattfinden.«

31
    Nor wirkte krank. Die meisten Fackeln, die noch am Morgen für ein unheimliches Spiel von düsterroter Helligkeit und huschenden Schatten gesorgt hatten, waren jetzt erloschen, und in dem bleichen Zwielicht, welches das Langhaus erobert hatte, sah sein Gesicht eingefallen und um Jahre gealtert aus. Von der fast greifbaren Aura von Kraft und unerschütterlicher Sicherheit, die er noch vorhin im Heiligtum ausgestrahlt hatte, war nichts mehr geblieben. Müde und mit kraftlos gegen die hohe Rückenlehne des Stuhles gelegtem Kopf saß er in dem gestohlenen Thronsessel, und hätte sich nicht manchmal ein verirrter Lichtstrahl funkelnd in seinen nur noch halb geöffneten Augen gebrochen, hätte man meinen können, er schliefe; oder wäre tot.
    Die Atempause, die er sich gegönnt hatte, war knapp bemessen gewesen. Arris Bewacher hatten sie zwar eilig wieder in ihr steinernes Gefängnis auf der anderen Seite des Hügels zurückgebracht; aber sie hatte nicht einmal genügend Zeit

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