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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vergebens, wie ein Mensch, der nicht über das große Wissen und die Heilkräfte ihrer Mutter verfügte, eine solche Verletzung überleben konnte. Arme und Beine waren mit Schlangenlinien und Runen übersät, die er sich offensichtlich freiwillig in die Haut geschnitten hatte, und da waren überall kleine, harte Stellen, die an rissig gewordenes altes Leder erinnerten und vielleicht alte Brandwunden sein mochten. Ein erschrockenes Raunen lief durch die Reihen der nächststehenden Zuschauer, und auch Sarn riss erstaunt die Augen auf und starrte den Hohepriester an.
    Und es war noch nicht vorbei. Nors Tanz wurde immer wilder und hektischer. Wie in Krämpfen warf er den Kopf hin und her und streckte die Hände gegen den Himmel aus, als versuche er, die lodernde Sonnenscheibe dort oben zu fassen und auf die Erde herabzuziehen.
    ... und dann griff er mit beiden Händen in die Opferschale, die vor ihm auf dem Altar stand!
    Vielleicht war es ein Schmerzensschrei, der über seine Lippen kam, vielleicht auch ein Ausruf der Verzückung, als er die Arme hochriss und zwei Hände voller dunkelrot lodernder Glut zwischen den Fingern zerquetschte. Aus den erstaunten Ausrufen der Menschen wurden Schreckens- und Entsetzensschreie, und die am nächsten Stehenden prallten unwillkürlich zurück. Nor rief immer lauter, schrie seinen Schmerz hinaus oder erflehte den Beistand der Götter oder beides, warf sich schließlich in einer nahezu grotesk wirkenden Verrenkung herum und ließ die Reste der Glut, die sich noch zwischen seinen Fingern befanden, auf das aufgeschichtete Reisig fallen.
    Das Holz war so trocken, dass es augenblicklich Feuer fing. Eine mehr als mannshohe Stichflamme schoss in die Höhe, und ein ganzer Chor erschrockener Schreie und Rufe wurde rings um Arri laut. Aus dem aufgeschichteten Reisig stoben Funken, unzähligen, winzigen glühenden Insekten gleich, die sich gierig auf alles stürzten, was sie erreichen konnten, und die Hitze war mit einem Mal so gewaltig, dass selbst Arri das Gefühl hatte, eine trockene, heiße Hand streiche über ihr Gesicht. Dort, wo Nor und Sarn standen, musste sie unerträglich sein.
    Vielleicht, weil es nicht nur Reisig und trockenes Holz waren, die brannten.
    Arris Augen weiteten sich ungläubig, und auch ihrer Kehle entrang sich ein spitzer, erschrockener Schrei, als sie sah, wie die Flammen nach Nors Fingern und Unterarmen züngelten, sie in Brand setzten und rasend schnell an seinen Schultern hinaufkrochen. Mit einem dumpfen, weithin hörbaren Wusch! fingen Nors Kopf und Oberkörper Feuer, dann brannte er plötzlich zur Gänze! Der Chor gellender Entsetzensschreie rings um Arri wurde lauter, und etliche Menschen fuhren herum und suchten ihr Heil in der Flucht, die meisten aber starrten den hell lodernden Hohepriester einfach nur fassungslos und voller Entsetzen an.
    Auch Sarn war zwei oder drei Schritte weit zurückgeprallt. Sein Umhang schwelte. Die fliegenden Funken hatten Dutzende winziger Löcher in seinen Federschmuck gebrannt, von denen einige rot glommen, und auch aus seinem Haar und sogar von seinem Gesicht stieg dünner, grauer Rauch auf, doch er schien es nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen. Fassungslos starrte er den Hohepriester an, der vollkommen ruhig inmitten der tobenden Flammen stand.
    Hinterher, wenn Arri an die unglaubliche Szene zurückdachte, wurde ihr klar, dass es nicht lange gedauert hatte; allenfalls die Dauer eines einzelnen, schweren Atemzugs. Aber während es andauerte, schien die Zeit stillzustehen, und es war ein Anblick, den sie nie wieder gänzlich vergessen sollte. Auch sie schrie auf und prallte zurück und wäre davongerannt, hätte sich nicht plötzlich eine starke Hand von hinten um ihren Arm geschlossen und sie festgehalten. Ebenso instinktiv wie vergeblich versuchte sie, sich loszureißen, doch ihr Blick hing die ganze Zeit wie gebannt an der brennenden Gestalt des Hohepriesters.
    Für sie war es nicht Nor, den sie sah. Plötzlich war sie wieder im Haus des Händlers, spürte noch immer den Schmerz über Runas Tod, und der brennende Mann war wieder da, der Krieger, den sie selbst in Brand gesetzt hatte, um ihn auf die schrecklichste nur denkbare Art zu töten. Er war zurückgekommen, um sie zu holen und für das zu bestrafen, was sie ihm angetan hatte. Ihre Mutter hatte sich geirrt, und Nor und die anderen Prediger hatten Recht. Es gab die Götter, und sie achteten genau auf das, was die Menschen taten, und bestraften sie hart, wenn sie sich ihrem

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