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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Doch Nor kam ihm auch jetzt wieder zuvor, indem er sich mit fester Stimme, aber überraschend sanftem, fast um Vergebung bittendem Ton an den Fischer wandte.
    »Nicht ich bin es, der das entschieden hat, Rahn«, sagte er bedauernd. »Ginge es nach mir, hätten diese beiden so lange sie leben einen Platz in unserer Mitte, denn ich weiß, dass sie aufrechte Männer sind, und was ihnen zugestoßen ist, das geschah im Dienste unseres Volkes.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Aber die Götter haben anders entschieden, und es steht uns nicht zu, ihre Entscheidung zu kritisieren, oder uns ihr gar zu widersetzen. Es tut mir Leid, aber das ist der Befehl der Götter: Du wirst diese beiden bis zum Rand unseres Landes begleiten, von wo aus sie allein weiterziehen müssen. Sie mögen so viel Wasser und Nahrung mitnehmen, wie sie tragen können, warme Kleidung und Waffen für die Jagd, aber es ist ihnen verboten, jemals wieder einen Fuß auf unser Land zu setzen.«
    Sarn sah immer noch überrascht aus, zugleich auch äußerst zufrieden, und während er sich wieder umdrehte, um Rahns Reaktion zu beobachten, streifte sein Blick kurz und voller boshafter Vorfreude Arris Gesicht, und erst in diesem Moment, dafür aber mit umso größerer Wucht, wurde ihr klar, was die Worte des Hohepriesters wirklich bedeuteten - und was sie unter Umständen für sie bedeuten mochten. Wenn Nor über diese beiden Männer, die nicht ganz unschuldig an ihrem Schicksal waren, so grausam und unbarmherzig entschied, welches Schicksal mochte er dann erst ihr zugedacht haben?
    »Aber das ist.« Rahn brach mit einem hilflosen Kopfschütteln ab und drehte die Hände fast flehend in Nors Richtung. »Das ist nicht. nicht gerecht.«
    »Es ist der Wille der Götter«, sagte Nor nur noch einmal. »Und es steht uns Menschen nicht zu, nach dem Sinn ihrer Worte zu fragen. Du wirst gehorchen.«
    Einen Moment lang sah Rahn so aus, als wolle er noch einmal widersprechen, dann aber neigte er demütig den Kopf und ließ in einer plötzlich kraftlosen Geste auch die Arme wieder sinken. Achk hatte offensichtlich immer noch nicht wirklich begriffen, was geschah, vielleicht wollte er es auch nicht, während sich auf Krons Gesicht ein Ausdruck zwischen abgrundtiefem Entsetzen und bitterer Enttäuschung ausbreitete. Der Winter stand vor der Tür. Vielleicht würde es in wenigen Tagen bereits zu schneien anfangen. Ein Einarmiger und ein Blinder, allein auf sich gestellt in der Wildnis und in dieser Jahreszeit - Nors Worte bedeuteten nichts anderes als ihr sicheres Todesurteil.
    Und sie selbst?, dachte Arri. Welches Schicksal mochten Nors Götter für sie bereithalten? Sie fühlte sich wie betäubt. Für einige kurze Augenblicke hatte sie Hoffnung geschöpft und sich eingebildet, Nor wäre tatsächlich der gerechte, weise Herrscher, als der er sich so gern gab, oder wenigstens ein Mann, in dessen Herzen noch Platz für Mitleid verblieben war, aber nun begriff sie, wie lächerlich diese Hoffnung gewesen war. Nichts anderes als eine Lüge, mit der sie sich selbst etwas vorgemacht hatte. Viel zu spät wurde ihr klar, dass sie in dem Augenblick, in dem Nor in den Mantel aus Flammen gehüllt dagestanden hatte, tatsächlich eine gute Aussicht gehabt hätte zu entkommen, denn niemand hätte ihr größere Beachtung geschenkt, wäre sie herumgefahren und davongerannt. Aber sie hatte wie alle anderen dagestanden und das unglaubliche Schauspiel angestarrt, und damit unwiderruflich ihre letzte Gelegenheit vertan, am Leben zu bleiben. Letzten Endes hatte der brennende Mann aus der Mine seine Rache doch noch bekommen.
    »Und die Götter«, fuhr Nor mit unveränderter, ruhiger Stimme fort, »haben auch entschieden, was mit diesem Kind zu geschehen hat.«
    Arris Herz begann schneller zu hämmern und schien ihr gleichsam aus der Brust springen zu wollen. Sie versuchte, den Hohepriester so gefasst und herausfordernd anzusehen, wie sie nur konnte, aber ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, und ihre Kraft reichte nicht aus, seinem Blick standzuhalten.
    »Es ist ihr Wille, dass dieses Mädchen bei uns bleiben und eine der Unseren werden soll«, fuhr Nor fort. »Sie wird Jamus Weib werden und ihm dienen und kräftige Söhne gebären.«
    Etwas in Arri zerbrach. Das war also das Ende. Ihr Leben hatte noch nicht einmal richtig angefangen, und jetzt würde sie.
    . .. was?!
    Verwirrt und hoffnungslos überrascht sah sie sich um. Ihre Ohren mussten ihr einen bösen Streich gespielt haben.

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