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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Willen widersetzten.
    Dann trat Nor - ganz ruhig - zurück und senkte die Arme, und im gleichen Maße, in dem er es tat, wurden die Flammen, die ihn einhüllten, kleiner und erloschen nur einen Augenblick später ganz.
    Der Hohepriester taumelte. Rauch stieg von seiner Haut auf, die plötzlich grau und von einer Schicht feiner Asche bedeckt schien, er machte einen mühsamen, unsicheren Schritt zur Seite und sank dann auf die Knie. Sarn stieß ein erschrockenes Keuchen aus und machte einen Schritt auf ihn zu, blieb aber sofort wieder stehen, und auch das entsetzte Schreien und Flüchten und Wegrennen ringsum hörte plötzlich wie abgeschnitten auf. Nor wankte auf den Knien, drohte nach vorn zu kippen und richtete sich mit einer gewaltigen Kraftanstrengung wieder auf, und dann geschah etwas ganz und gar Unglaubliches: langsam, unendlich mühevoll, stemmte sich Nor wieder in die Höhe, stand einen Moment lang schwankend und mit beiden Händen schwer auf den Rand des Altars gestützt da und ließ schließlich auch diesen Halt los. Sein Körper und sein Gesicht boten einen Grauen erregenden Anblick. Seine gesamte Haut schien zu Asche verbrannt zu sein. Seine Lippen waren gerissen und nässten, und aus seinen Augen liefen Tränen, die schmierige Spuren in die Ascheschicht auf seinem Gesicht zeichneten und die an eine barbarische Kriegsbemalung erinnerten. Er taumelte vor Schwäche und Schmerz, und doch war der Ausdruck auf seinen Zügen noch immer der höchster Verzückung, wenn auch zugleich abgrundtiefer Erschöpfung.
    Arris Herz raste, als wollte es zerspringen. Sie zitterte am ganzen Leib. Ihr Verstand sagte ihr, dass die Gefahr vorüber war. Es war nicht der brennende Mann aus dem Bergwerk. Er war es nie gewesen. Es war Nor, und sie war keinen Moment lang wirklich in Gefahr gewesen, aber das war nur die Stimme ihres Verstandes. Da war plötzlich etwas in ihr, das stärker war als ihre Vernunft, stärker als alles, was sie gelernt und gesehen hatte, und das ihr sagte, dass gleich etwas noch viel Schrecklicheres geschehen würde, dass sie bezahlen musste für das, was sie getan hatte.
    Noch einmal vergingen Atemzüge, die sich zu schieren Ewigkeiten dehnten, dann machte Nor einen weiteren, wankenden Schritt zur Seite, sodass er nun vollkommen frei stand, hob die Hände und fuhr sich mühsam damit über das Gesicht. Tränen und graue Asche vermischten sich zu einer schmierigen Schicht, die aus der vermeintlichen Kriegsbemalung das Antlitz eines Raubtiers werden ließ, doch die Haut, die darunter zum Vorschein kam, war unversehrt.
    Für einen Moment schien jedermann auf dem weiten Platz den Atem anzuhalten, und abermals kam es Arri vor, als wäre die Zeit einfach stehen geblieben. Dann schrie irgendwo eine Frau - vielleicht auch ein Mann - , und Arri bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich etliche Männer und Frauen in schierer Panik zur Flucht wandten; ja, sie war sogar sicher, dass mehr als einer der Zuschauer schlichtweg in Ohnmacht fiel. Die allermeisten aber standen einfach genau wie sie reglos da und starrten das unglaubliche Bild an, das sich ihnen bot.
    Nors Haut rauchte. Da, wo er sich die Ascheschicht heruntergewischt hatte, schimmerte sie in einem blassen Graugrün, und hier und da sah es gar aus, als wäre sie geschmolzen und hätte Blasen geschlagen. Sein Gesicht war noch immer verzerrt, aber es war Arri unmöglich zu sagen, warum.
    »Nun. habe ich. zu den Göttern. gesprochen«, murmelte Nor. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Selbst Arri, die ihm von allen hier auf dem Platz beinahe am nächsten stand, hatte Mühe, die gekrächzten Worte zu verstehen - aber sie galten auch nicht ihr oder irgendeinem sonst hier, sondern einzig Sarn.
    Der Schamane starrte ihn aus großen Augen an. Seine Lippen zitterten, als er zu antworten versuchte, aber er brachte keinen Laut hervor. Sein Blick irrte zwischen Nors Gestalt und dem längst zusammengefallenen Scheiterhaufen aus dürrem Reisig hin und her, und der Ausdruck, der allmählich darin aufglomm, spiegelte pures Entsetzen.
    »Aber.«
    »Die Götter haben zu mir gesprochen«, sagte Nor noch einmal, und jetzt mit lauterer, fester Stimme. Er wankte noch immer leicht, und Arri war ziemlich sicher, dass er Schmerzen litt, hatte sich aber trotzdem weit genug in der Gewalt, um sich umzudrehen und gemessenen Schrittes um den Altar herumzutreten, sodass er nun in voller Größe und unversehrt von jedermann zu sehen war. »Sie haben zu mir gesprochen, und ich soll

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