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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bewegung herumriss und durch den Bach lenkte, half Lea ihr, auf den Rücken des Hengstes zu klettern und in eine einigermaßen bequeme Position zu rutschen. Erst dann stieg auch sie auf. Aber sie ritt nicht sofort los, sondern wartete, bis Dragosz den Bach durchquert hatte und auf der anderen Seite im Wald verschwunden war, bevor sie ihm folgte. Arianrhod war sich sicher, dass das kein Zufall war.
    Dragosz hatte ausnahmsweise einmal nicht übertrieben. Nach nur einem kurzen Stück, auf dem der Weg tatsächlich von Unkraut und wucherndem Gebüsch zurückerobert worden war, wurde er wirklich breiter, und der Boden war so eben und fest, dass sie regelrecht spüren konnte, wie Nachtwind unter ihr aufatmete und wieder in seinen gewohnten Trab zurückfiel. Sie fegten jetzt nicht mehr mit einer so halsbrecherischen Geschwindigkeit durch den Wald wie auf dem ersten Teil ihrer Flucht, legten nun aber doch ein rasches Tempo vor, von dem Arianrhod annahm, dass es für die Pferde zwar allerhöchstens ein gemächliches Dahintraben sein konnte, das aber selbst einen rennenden Mann schon nach kurzer Zeit hoffnungslos überfordern musste. Wenn ihnen Sarns Krieger tatsächlich auf diesem Weg folgten, dann bestand kaum die Gefahr, dass sie sie einholten.
    Es war sehr dunkel hier im Wald. Ihre Mutter hielt zwar weiter einen unnötig großen Abstand zu Dragosz ein, achtete aber doch zugleich auch darauf, dass er nicht zu groß wurde, sodass sie selten weiter als sechs oder acht Pferdelängen hinter ihm zurückfielen. Dennoch schien Sturmwind manchmal zu einem fast geisterhaften, hellen Schemen vor ihnen im Wald zu verblassen, und der dunkel gekleidete Krieger auf ihrem Rücken war die meiste Zeit über gar nicht zu sehen.
    Arianrhod saß vor ihrer Mutter auf dem Pferderücken und konnte ihr Gesicht somit nicht sehen, aber sie spürte trotzdem, wie sich Leas Miene weiter verdüsterte, wie um sich ihrer Umgebung anzupassen. Sie fühlte sich ein wenig schuldig. Sie wusste nicht, was wirklich zwischen Dragosz und ihr vorgefallen war, aber sie war jetzt sicher, dass es zwischen den beiden einen heftigen Streit gegeben hatte, schon bevor sie nach Goseg gekommen waren, um sie zu befreien. Sie wollte das nicht. Auch wenn es nicht stimmte, so sagte sie sich doch, dass Dragosz ihr vollkommen gleichgültig sein konnte, aber sie erinnerte sich noch zu gut an den warmen Ausdruck in Leas Augen, als sie sie das erste Mal zusammen mit ihm gesehen hatte, und sie wollte nichts mehr, als dass ihre Mutter dieses winzige bisschen Glück vom Leben bekam, das ihr so lange vorenthalten worden war. Dragosz war es ihr einfach schuldig. Lea hatte Recht: Es würde sicherlich eine geraume Weile dauern, bis sie sich an die rüde Art des bartlosen Kriegers gewöhnt hatte, aber sie würde sich an ihn gewöhnen, auch wenn es ihr schwer fiel, schon, um ihn im Auge zu behalten und über ihre Mutter zu wachen.
    Mit einem neuerlichen Gefühl von nagendem schlechtem Gewissen dachte sie an einen Moment am Ufer eines anderen, sehr weit entfernten Baches zurück, an das, was sie damals gefühlt hatte - und an das Säckchen mit dem Pulver, das ihr Dragosz gegeben hatte, damit sie es im Notfall ins Feuer werfen und ihn über den entstehenden Signalrauch zur Hilfe rufen konnte. Das Säckchen hatte sie mittlerweile längst verloren - wahrscheinlich lag es in dem engen Stollen, in dem Runa ums Leben gekommen war -, nicht aber das eigenartig wärmende Gefühl, dass sie nach wie vor Dragosz rufen konnte, wenn sie in Not war. Merkwürdigerweise empfand sie dabei aber ein solch starkes Gefühl von Scham, dass sie sich nur in dem Entschluss bestärkt fühlte, den sie in diesem Moment für sich fasste. Dragosz gehörte ihrer Mutter, und sie würde dafür sorgen, dass es so blieb. Auch wenn Lea es niemals erfahren würde: Von heute an würde sie ihr wenigstens einen kleinen Teil dessen zurückzahlen, was sie ihr schuldete, und auch ein wenig über ihr Leben wachen.
    Eine Weile ritten sie in unveränderter Geschwindigkeit durch den düsteren Wald. Hier, zwischen den nah beieinander stehenden Bäumen, deren gewaltige Kronen mittlerweile zwar ebenfalls fast blattlos waren, dennoch aber so dicht, dass sie sich über dem Weg zu einem nahezu geschlossenen Dach vereinten, welches den Sonnenschein zu einem unsicheren, trüben Dunst verblassen ließ, war es spürbar kälter als am Ufer des Baches. Nachtwinds Atem war als regelmäßige Folge kleiner, grauer Dampfwölkchen vor seinen Nüstern

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