Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe
sie ehrlich.
Ihre Mutter wirkte überrascht, gleichzeitig aber auch irgendwie. erleichtert? »Siehst du?«, gab sie zurück. »Und ich weiß nicht, welche Absichten Dragosz und sein Volk wirklich verfolgen. Ich glaube es nicht, aber wenn es uns dort wirklich nicht gefällt.« Sie wiegte den Kopf hin und her. »Die Welt ist groß, Arianrhod. Viel größer, als du dir vorstellen kannst. Im Frühjahr können wir immer noch weiter ziehen.«
Über diesen letzten Satz wollte Arianrhod jetzt nicht nachdenken. »Hast du ihn denn nicht gefragt?«
»Nein. Hast du es getan?«
»Ich? Aber wann sollte ich.«
»Als ihr allein miteinander gesprochen habt, draußen auf der Ebene«, unterbrach sie Lea. »Das kannst du doch nicht vergessen haben. Ich habe geschlafen, und ihr habt euch ziemlich lange unterhalten.«
Arianrhods Herz machte einen erschrockenen Satz. Wieso wusste ihre Mutter davon? Einen Moment lang und fast panisch versuchte sie sich zu erinnern, aber da war nichts. Sie hatte ihr ganz bestimmt nichts davon erzählt. »Hat es Dragosz.« Sie brach ab, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die von einem Atemzug zum anderen plötzlich wieder so ausgetrocknet und rissig zu sein schienen, dass es ihr Mühe bereitete, überhaupt zu sprechen, und setzte dann neu an. »Woher weißt du davon?« »Jedenfalls nicht von dir«, antwortete Lea. Arianrhod versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, aber ihre Miene blieb völlig undeutbar. »Und auch nicht von ihm.«
»Aber woher dann?«
»Du hörst mir anscheinend wirklich nie richtig zu, wie?«, seufzte ihre Mutter. »Ich habe dir doch gesagt, dass Mütter niemals schlafen und dass sie die Gedanken ihrer Kinder lesen können. Ich habe euch belauscht.«
»Du hast uns.«, keuchte Arianrhod.
»Euch belauscht, ja«, bestätigte ihre Mutter ungerührt. Ihre Stimme nahm einen Ton anklagend übertrieben gespielter Strenge an. »Es war nicht besonders schwer. Ich habe dir zwar beigebracht, wie man sich anschleicht, aber nicht, wie man sich wegschleicht. Das ist ein großer Unterschied, musst du wissen. Vor allem für Mütter. Das Wegschleichen lehren sie ihre Kinder nie.«
Arianrhod ging nicht auf den halb scherzhaften Ton ein, den ihre Mutter ihr anbot. »Du bist mir nachgegangen?«, vergewisserte sie sich. Ihr Herz klopfte immer schneller. »Du. du hast gehört. was.«
»Jedes Wort«, sagte Lea. »Und ich habe euch auch gesehen.«
Auch das ignorierte Arianrhod ganz bewusst. »Warum hast du nichts gesagt?«
»Vielleicht, weil ich gehofft habe, dass du mir etwas sagst.« Lea zog die Augenbrauen zusammen. »Außerdem wollte ich zuerst mit Dragosz reden und ihm die Augen auskratzen. Aber zu seinem Glück sind uns ja ein paar von Nors Kriegern dazwischen gekommen.« Sie machte eine abwehrende Handbewegung, als Arianrhod etwas sagen wollte, und fuhr, plötzlich in einem Ton, von dem Arianrhod nicht wusste, ob er nun spöttisch oder verständnisvoll gemeint war, fort: »Du musst nichts sagen. Ich habe mir selbst schon alles dazu gesagt, was nötig ist, weißt du?«
»Aber. aber ich habe doch nur.«
»Ich war im ersten Moment ziemlich zornig auf dich, und auch auf ihn, das gebe ich zu«, fuhr Lea ungerührt fort. »Aber wirklich nur im ersten Moment. Du musst kein schlechtes Gewissen haben oder dich schämen. Es ist ganz normal, dass du in deinem Alter anfängst, ein Auge auf Männer zu werfen. Vor allem, wenn sie so gut aussehen wie Dragosz und alles andere als vom Alter gebeugt sind.«
»Aber er gehört dir«, murmelte Arianrhod. Sie fühlte sich unglaublich schuldig.
»Gut, dass du es selbst sagt«, pflichtete ihr Lea bei. »Und es wäre noch besser, wenn du es nicht vergisst.« Plötzlich lachte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, mach dir keine Vorwürfe. Ich hätte wissen müssen, was passiert. Es ist ganz sicher nicht das erste Mal, dass sich eine Tochter in denselben Mann verliebt wie ihre Mutter, wenn er nicht zufällig auch ihr Vater ist. Und die Auswahl an gut aussehenden Männern ist bei uns im Dorf ja nun wirklich nicht groß.« Sie blinzelte Arianrhod fast verschwörerisch zu. »Und was Dragosz angeht - ich war ihm zwar böse, aber ich kann ihn verstehen. Du bist ein sehr hübsches Mädchen, und er müsste schon mit Blindheit geschlagen sein, um das nicht zu sehen.« Sie zuckte abermals mit den Achseln. »Ich nehme es als Kompliment. Immerhin bist du meine Tochter.«
»Aber.«, begann Arianrhod.
»Und jetzt wollen wir nie wieder über dieses Thema reden,
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