Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Wehwehchen unterdrücken ließen. So wirkungsvoll auch die eine oder andere besondere Mischung aus Kräutern, Beeren und Wurzeln sein mochte, eines war ihnen doch allen gemein: ihre Wirkung ließ recht bald schon wieder nach. Und danach wurde es meist noch schlimmer.
Genauso, wie es immer schlimmer wurde, wenn man sich erst einmal auf ein Gespräch mit dieser ungepflegten Person einließ. Während es Zakaan über all die vielen Jahre geschafft hatte, sein volles Gebiss zu bewahren, hatte Granartara gerade noch drei schwarze Stummelzähne, und die zeigte sie ihm jetzt, als sie den Mund öffnete und sich mit der viel zu langen Zunge über die Lippen fuhr.
»Kräuterplättchen sind bestimmt sehr schmackhaft«, behauptete sie fordernd. »Krieg ich auch eines?«
Der Schamane zögerte. Nein, eigentlich tat er nur so, als zögere er. In Wirklichkeit hatte er bereits entschieden, was zu tun war, um das vorlaute Weib mundtot zu machen.
»Ich weiß nicht«, log er.
Die Vögel zwitscherten noch lauter, aber der Wind ließ nach, und als er nach oben sah, hatte der Schamane das Gefühl, als sei die dunkle Wolke über ihnen eingefroren. Was geschah denn hier?
»Ach«, machte Granartara und schmollte wie ein Kätzchen – nur, dass sie dabei eher Ähnlichkeit mit einem ruppigen Dachsweibchen hatte. »Gib mir doch eins! Ich hab solchen Hunger.«
»Ja«, sagte Byrta. »Gib ihr nur eins. Während sie darauf rumkaut, kann sie wenigstens nicht reden.«
»Da wär ich mir nicht so sicher«, bemerkte Partuk. »Granartara kann immer quasseln. Sie tut es sogar im Schlaf.«
Granartara trat einen Schritt näher an den alten Mann heran und versetzte ihm das, was sie für einen freundschaftlichen Schubser halten mochte. Keuchend stieß Partuk die Luft aus, dann ging er in die Knie, und während seine Augen schneller flackerten als die Flügel einer Libelle, fuhr seine Hand an den Gürtel, in dem seine zwar altmodische aber sehr sorgfältig gearbeitete Steinaxt steckte. Zakaan schüttelte fast unmerklich den Kopf, und der Alte nahm die Hand wieder von der Waffe und richtete sich so würdevoll auf, wie das in dieser demütigenden Lage überhaupt möglich war.
Manchmal war es doch gut, wenn man der gleichen Generation angehörte. Dann verstand man sich auch ohne Worte.
»Also gut.« Der Schamane kramte in seinem Lederbeutel herum und reichte Granartara ein ganz besonderes Kräuterplättchen. »Dann nimm das hier. Aber …«, er entzog es der Schmuddelhand wieder, die es ihm schon entreißen wollte, »aber nur, wenn du es auch wirklich willst. Es ist nämlich ziemlich stark, musst du wissen. Eigentlich mehr was für Männer.«
»Dann her damit«, fauchte Granartara, »was ein Mann verträgt, das vertrag ich schon lange.«
Zakaan hatte mit dieser Antwort gerechnet. »Also gut, dann sei es«, gab er nach. »Aber es könnte sein, dass dir davon schlecht wird. Und schwindlig. Und noch so einiges andere.«
Er hatte noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen, als er sich das Kräuterblättchen aus der Hand reißen ließ. Granartara würde schon sehen, was sie von ihrer vorlauten Art hatte.
Kapitel 17
»Weg da!«, zischte Isana. »Macht, dass ihr fortkommt!«
Als Arri sich in ihren Fesseln strecken wollte, biss sie etwas in den Fuß, nicht nach Art der Flöhe, sondern heftiger, und als sie hinabblickte, sah sie gerade noch etwas hinweghuschen, das für das übliche Ungeziefer viel zu groß schien und auch zu viele Beinchen hatte, um etwas sein zu können, das sie hier in den letzten Tagen gesehen hatte.
»Pass nur auf«, sagte Isana. »Deine Bronzefessel hat dein Fußgelenk schon blutig gerieben. Du solltest nicht so sehr an der Kette zerren.«
»Das war nicht die Fessel«, antwortete Arri.
»Beim nächsten Mal bringe ich einen Kräuterwickel mit – damit sich dein Fußgelenk nicht noch entzündet«, beharrte Isana.
»Blödsinn. Ich brauche keine Kräuter.« Arris Hand krallte sich in ihrem Rock fest. »Ich muss hier raus. Irgendwie. Dann schnapp ich mir Kyrill und verschwinde.«
»Hm«, machte Isana. Sie musterte noch immer Arris Fußfessel, dann verfolgte ihr Blick den Weg des Seils, mit dem der Bronzering am Mittelpfahl der Hütte festgemacht war. »Der Schmied hätte besser daran getan, dich an einen Stein anzuschmieden«, murmelte sie. »Mit dem Seil werde ich doch spielend fertig.«
»Isana!«, sagte Arri streng. »So etwas will ich gar nicht hören! Ganz abgesehen davon, dass du mit einem Steinmesser eine Ewigkeit brauchen
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