Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Urutark. Und das liegt von hier aus gesehen hinter der Hügelkette, die dort vor uns aufragt. Das glaube ich zumindest.«
»Glauben heißt nicht wissen«, stellte Partuk überflüssigerweise fest.
»Nein, das heißt es nicht«, antwortete Zakaan ärgerlich. »Ich habe vieles von den Göttern erfahren. Und dabei auch viel Widersprüchliches.«
»Was heißt das denn?«, fragte Byrta ängstlich. »Bedeutet es, wir werden nie nach Urubakatak kommen?«
»Dorthin bestimmt nicht«, murrte Partuk, aber Zakaan winkte ab und wandte sich gezielt an das Mädchen. »Es gibt eine Prophezeiung. Und nach der müssen wir eine junge Frau finden, ungefähr so alt wie du bist. Sie heißt Arianrhod. Und sie ist die Hüterin der Himmelsscheibe.«
»Aber das wissen wir doch alles schon«, sagte Byrta verwirrt. »Das hast du uns doch immer wieder gesagt!«
Der Schamane nickte. Ja, das hatte er. »Aber was du vielleicht noch nicht weißt ist, dass sie …«, er suchte nach Worten, »dass sie sich uns entzieht.«
»Du meinst, wir finden sie nicht«, brummte Partuk.
»Ja. So ähnlich«, antwortete Zakaan knapp.
»Dann ist sie wohl so etwas wie ein Geist«, meinte Partuk. »Je näher wir ihr kommen, je mehr wir versuchen, ihrer habhaft zu werden – und damit der Himmelsscheibe, auf der die richtige Lage Urutarks vermerkt ist – umso flüchtiger wird sie.« Er hob die Arme. »Sie hebt sich wie ein Vogel von dannen. Und wir müssen sie einfangen. Sonst werden wir die Heimat unserer Stammväter vielleicht niemals finden!«
Byrtas Mund klappte auf. »Da oben fliegt ein Vogel«, sie deutete aufgeregt zu der Stelle im Himmel. »Eine Krähe. Vielleicht hat sie sich ja eine Krähe verwandelt, um sich uns zu entziehen.«
Der Schamane riss den Kopf so vorschnell nach oben, dass ein beißender Schmerz durch sein Genick fuhr.
Tatsächlich. Da flog ein schwarzer Vogel, er verschwand gerade hinter einer Baumkrone.
»Das ist eine Amsel, du dummes Ding«, herrschte er Byrta an.
Das Mädchen zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen, Tränen schossen in ihre Augen. Kein Wunder. Normalerweise herrschte Zakaan niemanden an, das überließ er lieber Ragok. Der hatte nämlich eine ausgesprochene Begabung dafür, alle und jeden mit ein paar abfälligen Bemerkungen zu beschimpfen.
»Aber ich … ich dachte … weil Krähen doch …«, stammelte Byrta. »Und weil du … du hast doch selbst gesagt, du hättest einen Schwarm Krähen gesehen, und das wäre ein Zeichen gewesen, weil sich der Schwarm geteilt hat … und weil das Nebelkrähen und ganz schwarze Krähen gewesen wären, wie wir sie aus unserer Heimat gar nicht kennen!«
»Ja, das habe ich gesagt«, bestätigte Zakaan zerknirscht. »Krähen. Nicht Amseln. Und außerdem ändert dies nichts daran, dass wir auf Arianrhod angewiesen sind. Also haltet die Augen offen, ob ihr sie nicht irgendwo seht.«
Schnaubend wandte er sich ab. Arianrhod. Ja. Er hatte das vorher noch gar nicht so klar gesehen, erst, als er es Byrta erklärt hatte. Aber es traf zu. Und er ahnte, wie er sie finden konnte.
Über Abdurezak. Sein Bruder würde mehr über Arianrhod wissen, da war er sich plötzlich ganz sicher. Und genau so sicher war er sich auch, dass er seinem Bruder bereits ganz nahe war – und nur seinem Instinkt folgen musste, um ihn zu finden.
Vorausgesetzt, man störte ihn nicht andauernd dabei.
Aber das war ein Wunsch, der sich im Augenblick leider als unerfüllbar erwies. Ausgerechnet die grässliche Granartara stapfte schon wieder vom Bach hoch. Schlimmer konnte es gar nicht kommen.
»Das Wasser schmeckt hier überhaupt nicht«, schimpfte sie. »Vollkommen bitter. Ekelhaft. Da war ja selbst das Brackwasser aus dem stinkenden Wasserloch in den Dunkelbergen noch genießbarer.«
Wortlos holte Zakaan seinen abgegriffenen Lederbeutel hervor und kramte ein getrocknetes Kräuterblättchen heraus. Mit einem Seufzer schob er es sich zwischen die Zähne und begann darauf herumzukauen.
»Was ist das?«, fragte Granartara, dann schnaufte sie aber auch schon heran. »Was kaust du da, alter Mann?«
»Etwas, das mir hilft, bestimmte Dinge besser zu ertragen«, seufzte Zakaan.
Granartara legte den Kopf schief. »Bestimmte Dinge? Was meinst du damit?«
»Etwas, das du noch gar nicht kennen kannst«, antwortete der Schamane, »die Mühsal des Alters.«
Granartara wirkte misstrauisch, war Zakaan ihr nicht einmal verdenken konnte. Er kannte das eine oder andere Mittelchen, mit denen sich Schmerzen dämpfen und
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