Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Regel für jede Art von Auseinandersetzung eingebläut hat. Wenn du es schaffst, andere zu überrumpeln, wenn du deine Kraft zur Explosion bringen kannst, bevor der Gegner damit rechnet – dann ist Wurgar, der Kriegsgott, mit dir!«
»Das mag ja sein«, sagte Isana. »Aber dazu musst du hier erst mal rauskommen!«
»Das ist wahr. Allerdings …« Arri richtete sich mit einem Ruck so weit auf, wie ihr das in ihren Fesseln möglich war. »Was war das?«
Verwirrt schüttelte Isana den Kopf. »Was meinst du?«
»Da war doch etwas«, beharrte Arri. »Der Donnerschlag von dem Gewitter, das gerade über uns aufzieht. Und danach hat jemand meinen Namen gerufen!«
Isana schüttelte noch einmal, jetzt aber viel entschiedener, den Kopf. »Nein. Ganz sicher nicht. Den fernen Donnerschlag habe ich auch gehört. Aber danach kam nichts mehr.«
Arri blinzelte verständnislos. Isana mochte recht haben, aber trotzdem …
Lexz war in Gefahr. Und er war ganz in der Nähe. Der Schamane schien sich da ganz sicher zu sein.
Zakaan stolperte los. Seine Bewegungen waren nach wie vor viel zu schwerfällig, seine Knochen begehrten gegen die zusätzliche Belastung auf. Seine Füße traten viel zu ungeschickt, um den schnelleren Trab mitzumachen, in den er sich fallen lassen wollte. Er machte einen großen Schritt über eine ausladende Wurzel hinweg, duckte sich unter einem Ast hinweg und wackelte so unsicher in einen Strauch, dass er hängenblieb. Mit dem nächsten, zwar unsicheren, aber viel zu heftigen Schritt walzte er eine Farngruppe platt.
Verdammt! Er bewegte sich ja wie ein alter Greis, der versuchte, mit einem jungen Krieger mitzuhalten.
Aber was hatte er auch erwartet? Schließlich war er ja nichts anderes als ein klappriger Greis, der sich einfach nicht eingestehen wollte, dass seine Zeit längst abgelaufen war.
Keuchend blieb er stehen, seine Hand fuhr wie von selbst zu seinem Lederbeutel. Eine Zornesfalte trat auf seiner Stirn hervor, als er begriff, dass das doch umsonst war. Der Beutel war längst leer, weil diese stinkende Ausgeburt von einer Frau nach immer mehr Kräuterplätschen verlangt hatte. Es war nicht zum Aushalten!
»Zakaan!«, hörte er einen Ruf hinter sich – und er war viel zu nah. Was hatte er erwartet? Mit seinem Herumgestolpere Granartara und die anderen abhängen zu können?
»Zakaan!«, kreischte Granartara. »Wo willscht du hin! Lass misch nischt alleine!«
Zakaans Brust entrang sich ein tiefes Grollen. Es klang vielleicht nicht gerade nach einem Berglöwen, allerdings auch nicht nach einem Miezekätzchen.
»Also gut«, murmelte er. »Ihr habt es nicht anders gewollt.«
Er betrachtete den Lederbeutel. Wann hatte er ihn bekommen? Als ihm sein Vater die Hand auf die Schulter gelegt und stolz gesagt hatte: »Jetzt bist du ein Mann, mein Sohn. Nimm dein Schicksal von nun an selbst in die Hand. Zum Nutzen der Gemeinschaft.«
»Zum Nutzen der Gemeinschaft«, hatte er stolz wiederholt, und so dumm und naiv, wie er damals gewesen war, hatte er geglaubt, alles andere würde sich schon von selbst weisen.
»Nichts«, murmelte er. »Nichts passiert von selbst. Bis auf den Untergang. Aber den werde ich aufhalten – solange ich lebe!«
Nun ja – es mochte sein, dass sein Leben nur Tage oder vielleicht auch nur noch Stunden währte. Aber darauf kam es jetzt nicht an. Sondern allein darauf, dass er in der ihm noch verbleibenden Zeit das Richtige tat.
Schwerfällig drehte er sich um. »Ich habe hier einen Lederbeutel für dich, Granartara!«, rief er. »Ich werfe ihn in deine Richtung! Nimm ihn dir und werde mit ihm glücklich! Ich habe anderes zu tun.«
Er holte aus – soweit er konnte – und blieb dann in verrenkter Haltung stehen, bis er Granartara um die Ecke biegen und auf ihn zuschnaufen sah. Dicht hinter ihr war Byrta, und ihre Augen blitzen genauso unverschämt und gierig wie die der zwanzig Jahre älteren Frau. Nur Partuk tauchte nicht auf. Warum sollte er auch? Er war viel zu erfahren, um sich auf irgendwelche dummen Spielchen einzulassen.
»Für euch!« Zakaan visierte sein Ziel an, holte tief Luft – und ließ den Beutel dann fliegen.
Er hatte gut gezielt. Der Beutel flog weit über den Pfad hinweg, sauste durch die Zweige einer Tanne und über eine Buschgruppe hinweg – und platschte irgendwo weit dahinter ins Gestrüpp. Ob er da hängen blieb oder auf die Erde fiel, konnte der Schamane nicht erkennen. Aber darauf kam es auch nicht an.
»Danke, Vater«, sagte er.
Granartara und
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