Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
empfunden hatte. Vielleicht lag es daran, dass er diesmal ein ganz besonderes Wild jagte.
Eine Drude.
»Eine neue Zeit beginnt, Isana«, sagte er zum wiederholten Mal. »Meine Zeit.«
Isana schien noch mehr zu schrumpfen.
»Mein Vater hat uns nach Urutark geführt. Und ich werde hier jetzt eine neue Dynastie begründen. Und auch ich werde es sein, der bestimmt, was mit diesen Riesensteinen hier geschieht.« Er machte eine großzügige Handbewegung, die das ganze Tal umschloss. »Wenn diesen Steinen hier ein alter Zauber innewohnt, dann werde ich ihn zu nutzen wissen. Und jetzt komm mit – sehen wir zu, dass wir endlich eine Spur von Arianrhod finden.«
Ohne auf eine Antwort zu warten ging er auf den Pfad zu, der aus dem Tal hinaus und über einen steinernen Weg in Richtung der Felsen führte, von denen die mit einem Pfeil durchbohrte Krähe abgestürzt war. Es musste schon mit bösen Geistern zugehen, wenn er dort oben nicht eine Spur von Arri fand.
Während er seine Schritte beschleunigte, tat er so, als achte er nur auf ihre Umgebung und nicht auf das, was Isana tat. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Er spürte ihr Zögern und ihren Widerstand. Gerade, als er ungeduldig werden wollte, hörte er, wie sie ihr verschmutztes Gewand ordnete, und dann schickte sie sich an, ihm in einem leichten Stolperschritt zu folgen, ganz so, als sei ihre Aufmerksamkeit durch etwas anderes abgelenkt.
Jetzt hielt sie nach Arianrhod Ausschau, da war er sich ganz sicher. Die Frage war nur: Würde sie die Drude auch zu warnen versuchen, wenn sie sie sah? Oder würde sie ihre Pflicht tun und sie ihrem neuen Herrscher melden?
»Nicht ganz so langsam«, rief Taru, während er einer Mulde auswich, in der das fast schwarz glänzende Regenwasser stand, »ich will mir diese Giftmischerin noch vor Anbruch der Dunkelheit schnappen.«
»Ja, natürlich.« Isana beschleunigte ihren Schritt, doch dadurch kamen sie kaum schneller voran. Der Regen hatte den Boden aufgeweicht, wo auch immer er ihn hatte aufweichen können; im Ufersand war das Wasser schnell wieder versickert. Hier aber verhielt es sich anders. Der Untergrund bestand aus Gestein, das nur spärlich mit Erde bedeckt und von der Witterung an vielen Stellen ausgewaschen war. Mulden hatten sich gebildet, die das Wasser, das sie einmal aufgenommen hatten, nicht mehr so einfach wieder hergaben.
Taru machte einen langen Satz, um über eine Pfütze zu springen, kam schräg mit dem Fuß auf und rutschte ein Stück zurück, bis ihm nichts anderes übrig blieb, als mit dem Fuß ins Wasser einzutauchen, wollte er nicht den Halt verlieren. Er sank bis weit über den Knöchel ein, bekam gerade so noch ein dürres Bäumchen zu fassen – und rutschte dann doch weiter, als das Bäumchen nachgab und sich ihm entgegenneigte: wie ein altes Weib, das den Halt verlor und in den Matsch zu fallen drohte.
Er drehte sich einmal um die eigene Achse, spannte sich an … und als sein Blick dabei über die Felswand glitt, sah er dort etwas metallisch aufblitzen …
Dann stürzte er in den Matsch.
Lexz reichte es, es reichte ihm jetzt endgültig und für alle Zeiten. Er wollte einfach seine Ruhe haben und die Gelegenheit, zu sich zu finden – mit oder ohne Atemübungen, mit oder ohne die schlauen Sprüche des Schamanen. Kenans Schmiede wäre dafür der richtige Ort. Sie war groß, ordentlich aufgeräumt und mit all den Werkzeugen und kleinen Teilchen aus Metall doch genau auf die Art unübersichtlich, die das Ganze gemütlich machte.
Kenans alte Schmiede. Das war jene Schmiede gewesen, die am Rande ihres Heimatdorfes gestanden hatte, im Schatten dreier mächtiger Bäume, die sie mit ihrem dichten Blätterdach zuverlässig vor Wind und Wetter geschützt hatten, was wegen der zwei außen liegenden Öfen nicht ganz unwichtig gewesen war. Ohne auch nur einmal darüber nachzudenken war Lexz davon ausgegangen, dass die neue Schmiede nicht sehr viel anders aussehen werde.
Da hatte er sich aber kräftig getäuscht. Groß war die neue Schmiede schon, aber ganz anders gebaut als alle anderen Häuser, die Lexz kannte. Die alte Schmiede hatte aus einem einzigen riesigen Raum bestanden, ganz so, wie das für Langhäuser üblich war. Dies hier aber war eher ein unmittelbar an den Felsen gebautes Breithaus, und es besaß zwar einem großen Raum – den, in den er gerade getreten war –, darüber hinaus aber auch ein verzweigtes System von Ein- und Ausgängen, die in den Berg hineinführten. Einige von ihnen
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