Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
kennen!« In einer gespielten Geste der Verzweiflung schlug Isana die Hand vor den Mund. »Das ist aber gar nicht gut.«
»Nein, das ist es wirklich nicht«, pflichtete ihr Amar auf jene immer noch fast unheimlich wirkende Weise bei. »Schließlich muss das ja nicht jeder wissen.«
Isana nahm die Hand herunter und nickte. Ihre Miene verdüsterte sich dabei ganz nach Kenans Weise. Dabei hatte sie rein äußerlich keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Aber diese wütende Art nachdenklich auszusehen, glich Kenan doch, wenn er sich mal wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit ungehalten zeigte. Taru verstand diese Wandlung nicht. Eben war die Tochter des Schmieds noch ein ängstliches kleines Mädchen gewesen, das alles getan hätte, um ihn nicht zu erzürnen. Aber jetzt wirkte sie eher wie die Frau eines Herrschers, die sich überlegte, was sie mit dem Bauernjungen tun sollte, der ihr gegenüber frech geworden war.
Was, bei allen Göttern, geschah hier nur?
»Wir müssen uns überlegen, was wir mit ihm tun«, sagte Isana gepresst. Das Funkeln in ihren Augen gefiel Taru immer weniger.
»Was willst du denn, was sollen wir denn tun?«, fragte Amar ruhig.
Isana fuhr sich mit einer schnellen Bewegung über den Hals, als wolle sie sich die Kehle durchschneiden. »Weg mit ihm«, sagte sie leise. »Alles andere wäre viel zu gefährlich.«
Taru starrte sie fassungslos an. Das ist doch nur ein schlechter Scherz , dachte er. Aber als er das harte Glitzern in Isanas Augen sah, und dann bemerkte, wie Amar hinter sie trat und sie auf eine fast zärtliche, auf alle Fälle aber sehr vertraute Art umfasste, da spürte er eine hilflose Wut in sich hochsteigen.
»Ihr seid …«, keuchte er.
»Ein Paar?«, schlug Amar vor. Er nickte, ohne Taru auch nur für die Dauer eines Lidschlags aus den Augen zu lassen. »Ja, so könnte man es vielleicht nennen.«
»Irgendjemand muss doch die Verantwortung für das Land hier übernehmen«, sagte Isana. Ihre Hand kroch zu der Amars hoch, die auf ihrer Schulter lag, und umfasste sie. »Und wer verstünde das besser als wir?«
Es war vollkommen irrsinnig, mit der toten Ekarna in den Armen voranzustürmen. Aber Lexz konnte nicht anders. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht, und er konnte sie sich nicht wegwischen. Die Kälte wich nicht aus ihm, obwohl er viel schneller lief als gut war, und immer wieder ins Stolpern geriet.
Weglaufen ist keine Lösung , hätte der Schamane gesagt. Aber der war ja selbst dem Tod näher als dem Leben. All seine Sprüche waren vollkommen wertlos und würden ihm kein bisschen weiterhelfen.
Ekarna war tot, Isana war verschwunden. Dragosz war tot – und sein Vater immer noch nicht verständigt. Zakaan und Torgon waren hinter ihm geblieben, vielleicht, weil sie nicht Schritt halten konnten, vielleicht aber auch, weil sie in die Kämpfe in den Hügeln verwickelt worden waren, deren Widerhall noch immer bis zu ihm drang.
Das Hämmern seines Herzens trieb ihn weiter auf den Bach zu, den er schon von oben aus gesehen hatte. An seinem Ufer würde er Ekarna auf ein weiches Lager betten und ihr die letzte Ehre erweisen. Lexz wusste, dass sie als Frau nicht das gleiche Recht wie die gefallenen Krieger hatte, das Totenreich der toten Helden zu betreten. Und während er taumelnd und wie außer sich den Pfad hinablief, fragte er sich, warum das eigentlich so sein musste.
Es war ungerecht. Ekarna war zwar eine Frau, aber sie hatte ganz das Leben eines Kriegers gelebt. Also sollte es ihr auch zustehen, dem Todesfluss auf die gleiche Weise anvertraut zu werden. Er würde dafür sorgen, dass sich dem niemand widersetzte – und wenn er Zakaan und Abdurezak mit gezückter Waffe dazu zwingen musste, die Zeremonie zu vollziehen.
Taru war erschüttert. Er hatte alles vollkommen falsch eingeschätzt. Nie im Leben wäre er darauf gekommen, dass ausgerechnet Amar und Isana gemeinsame Sache machen könnten!
»Merkwürdig, dass du jetzt so still geworden bist«, sagte Isana in einem Ton zu ihm, den er gar nicht von ihr kannte. »Eben hast du noch das große Wort geführt. Und jetzt? Jetzt kommt gar nichts mehr aus deinem Mund!«
»Da wusste ich ja auch nicht … das, was ich jetzt weiß«, antwortete Taru steif.
Er musste Zeit gewinnen. Ein bitterer Geschmack breitete sich tief in seiner Kehle aus, während er verzweifelt darüber nachdachte, wie er Amar und seine zwei Krieger überwältigen konnte. Sein Schwert steckte im Gürtel, die zwei schwarz gekleideten Krieger Gosegs hielten
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