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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Geräusch machten. Wie kam er bloß auf solche Gedanken?
    »Und warum bekümmert dich das so, Schamane?«
    Ja, was bekümmerte ihn eigentlich so? Partuk hatte eine merkwürdige Art, Fragen zu stellen. Aber meist legte er mit ihnen eine Wunde frei, die noch nicht verschorft war.
    »Hat es nur mit Lexz zu tun?«, fragte Partuk weiter, »oder mit uns allen?«
    Zakaan gab ein unbestimmt brummendes Geräusch von sich, starrte vor sich auf den gesunden braunschwarzen Boden, über den die Käfer krabbelten und Ameisen mit ihrer Beute entlangzogen, so wie sie es schon immer getan hatten und auch noch tun würden, wenn ihrer aller Gebeine längst vermodert waren. Fast gewaltsam riss er sich von diesem Anblick los und wandte sich wieder Partuk zu: »Nun, was meinst du?«
    »Ich?« Partuk wirkte überrascht, aber dann nickte der alte Krieger. »Du fragst mich wohl, weil meine Augen weit mehr gesehen haben als die der meisten von uns.«
    Es waren nicht gerade die Augen, auf die der Schamane zu sprechen kommen wollte – ganz gewiss nicht. Wann immer es nur ging, mied er Partuks Blick. Das ständige Augenzucken stimmte ihn ganz unruhig.
    Diesen Gedanken behielt er aber besser für sich. Stattdessen sagte er laut: »Ich frage dich, weil du die Geschichte unseres Volkes besser kennst als jeder andere – mich einmal ausgenommen. Du hast Ragok und Dragosz zusammen aufwachsen sehen und weißt, dass sie einst unzertrennlich waren …«
    »Allerdings. Sie waren wie zwei Wölfe, die gemeinsam jagen und jede Beute, die einer von ihnen reißt, teilen.« Partuk nickte grimmig. »So lebensfroh wie Dragosz und so finster wie Ragok – das war etwas Einmaliges. Warum nur haben die Götter das, was doch eigentlich unzertrennlich war, getrennt?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Zakaan eher zu sich selbst als zu dem alten Krieger, »dass dies die Götter gewesen sind.«
    »Surkija war seit Menschengedenken Ragok versprochen«, sagte Partuk heftig. Er richtete sich ein Stück auf und massierte seine Finger, bis es dabei knackte und knirschte, als würde er sie gleich zerbrechen. »Warum hat Dragosz das nur nicht hingenommen? Warum hat er sich nicht eine andere Frau gesucht – vielleicht sogar von einem anderen Stamm oder einem anderen Volk, die Tochter eines Herrschers oder eines Schmieds? Warum musste er sich ausgerechnet an unserer Heilerin vergreifen?«
    »Wenn es jemandem zu wohl ist, so vergiftet er seine eigene Wasserstelle«, murmelte der Schamane.
    »Du meinst, Dragosz war es zu wohl?« Partuk schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich war dabei, als er und Ragok von dem schrecklichen Jagdunfall hörte, bei dem ihr Vater ums Leben kam. Da war kein Platz für Übermut, als man Kubilay mit den Füßen voran ins Dorf getragen hatte.«
    »Ja, ich erinnere mich …«
    Kubilay, der Vater dieses ungleichen Brüderpaars Dragosz und Ragok, das war ein harter Mann gewesen. Zakaan kannte ihn seit frühester Jugend, und sooft er auch mit ihm aneinandergeraten war, so sehr hatte er sich ihm doch auch verbunden gefühlt. Ihn mit zerschmettertem Schädel zu sehen, es war so schrecklich gewesen. Zakaan war an seinen alten Weggefährten herangetreten und hatte die Wärme gespürt, die der gerade erst Verstorbene nach wie vor ausstrahlte. Die rechte Faust Kubilays hielt den Schaft eines abgebrochenen Speers so fest umklammert, als wolle er ihn ins Reich der Toten mitnehmen.
    »Und ich erinnere mich an den feierlichen Schwur von Dragosz und Ragok, als hätten sie ihn erst gestern gesprochen«, sagte Partuk bedrückt. »Sie haben sich geschworen, gemeinsam über ihr Volk zu wachen und das Erbe ihres Vaters zum Wohle aller gemeinsam auszuüben.«
    »Ja«, gab ihm Zakaan recht. »Es war ein großer Augenblick. Einem Schwur, der am Lager eines gerade Gestorbenen gesprochen wird, wohnt eine ganz besondere Kraft inne.«
    »Und alle haben diesen Schwur als das genommen, was er war: ein feierliches Versprechen, das niemals gebrochen werden darf, wenn nicht über uns alle ein Unglück kommen soll.« Partuk schüttelte sich. »Du hast ihn als Schamanen im Namen der Stammväter angenommen und feierlich den Göttern übergeben. Hast du denn nicht geahnt, was kurz darauf geschehen würde?«
    Geahnt? Partuk hatte eine wahrhaft merkwürdige Art, Fragen zu stellen. Natürlich hatte er geahnt, dass es nicht gut gehen würde. Dragosz war als der jüngste Sohn Kubilays der legitime Nachfolger des Herrschers der Raker, und er war damals jung gewesen, stark und

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