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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schaffen, über die auseinandergebrochenen Hälften seines Volkes zu wachen, wenn es ihm noch nicht einmal gelang, Lexz zu beschützen?
    »Lexz, ich gebe dich nicht auf«, murmelte er vor sich hin. »Ich weiß, dass du in großer Gefahr bist. Aber ich werde einen Weg finden, dir zu helfen!«
    Es war nicht besonders klug, jemanden mit aller Kraft zu beißen, wenn man selbst gefesselt war. Arri begriff das spätestens in dem Augenblick, als Rar erneut ausholte.
    Diesmal war sie eine Spur zu langsam. Die schwielige Hand des Jungen streifte nur ihr Gesicht. Trotzdem hatte sie das Gefühl, es träfe sie ein Bronzehammer. Ihr Kopf wurde zurückgeschleudert. Bunte Flecken tanzten vor ihren Augen, und dann verschwand die Welt wie hinter einem Dunstschleier.
    Als sie wieder zu sich kam, stand Rar noch immer drohend vor ihr. Sie erwartete, dass er sie gleich ein weiteres Mal schlüge. Aber Rar dachte gar nicht daran. Statt auf sie hinabzustarren, blickte er in Richtung Ufer.
    »Da hinten tut sich tatsächlich etwas«, hörte sie Taru sagen. »Wenn ich das richtig sehe, kommt Kaarg dort gerade angewackelt.«
    »Den brauche ich bloß mit dem Blasebalg anzublasen, dann fliegt er hundert Schritte weit«, murrte Rar.
    »Unterstehe dich, so etwas auch nur zu denken!« Taru fuhr zu ihm herum und schenkte ihm einen bösen Blick. »Alle Mitglieder des Ältestenrates stehen unter meinem ganz persönlichen Schutz. Sie verdienen den höchsten Respekt.«
    Rar starrte ihn entgeistert an, dann verzog er das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Klar. Die alten Männer müssen dich ja als Herrscher bestätigten.«
    Taru schüttelte den Kopf. »Nein, Rar, du Kindskopf. Manche Entscheidungen der Ältesten mögen uns vielleicht nicht passen. Aber das ändert noch nichts daran, dass sie das sind, was sie sind: das Bindeglied zu den Stammvätern. Das bringen sie ebenso mit ein wie die große Weisheit ihrer Erfahrungen. Ohne einen Ältestenrat ist keine Gemeinschaft auf Dauer überlebensfähig.«
    Rar wirkte ein wenig verunsichert. »Du redest schon genauso wie dein Vater.«
    Taru nickte. »Allerdings. Ich bin ja auch sein Nachfolger. Das ist dir doch klar, oder?«
    »Aber natürlich«, beeilte sich Rar zu bestätigen. »Du bist sein Nachfolger. Und Kyrill ist …«
    Mit einer ärgerlichen Handbewegung brachte ihn Taru zum Schweigen. »Kyrill ist ein Nichts und Niemand. Ich bin der einzige legitime Sohn von Dragosz.«
    Rars Schlag hatte Arris Sinne getrübt, aber jetzt schreckte sie aus der dumpfen Benommenheit auf. Kyrill sollte ein Nichts und Niemand sein? Ihr Sohn nichts weiter als ein Stein auf dem Spielfeld der Macht, den Taru so einfach beiseiteschieben zu können glaubte? Das würde sie nicht zulassen, niemals!
    »Und jetzt müssen wir hier weg«, fuhr Taru fort. »Und das sofort.«
    Rar nickte und bückte sich hinab, um Arri wie ein Reisigbündel aufzunehmen. Taru fiel ihm in den Arm. »Wir können nicht über den direkten Weg zurück. Wir müssen über den See.«
    Jetzt wirkte Rar endgültig verwirrt. »Aber die Drude kann doch nicht mit ihren Fesseln schwimmen!«
    »Ja, das ist wahr.« Taru wirkte gehetzt. Vom Ufer erscholl lautes Gerede herüber, es konnte also nicht mehr lange dauern, bis man sie hier bemerkte. »Ab ins Wasser«, befahl Taru. »Sie dürfen uns hier nicht sehen.«
    Manchmal wirkte Rar zwar ausgesprochen begriffsstutzig, diesmal aber reagierte er sofort. Mit einer schnellen Bewegung ließ er sich ins Wasser gleiten. »Wir brauchen ein Boot für die Drude …«
    »Denk nicht mal daran«, sagte Taru scharf. »Das Totenboot meines Vaters ist unantastbar. Wir werden es auf keinen Fall anrühren …«
    Sein Blick wanderte hinaus bis zu dem verzweigten Geflecht der Stege, und dann schien er einen Entschluss getroffen zu haben. »Da hinten, das ist ein Boot. Los jetzt. Komm wieder raus aus dem Wasser, und dann nichts wie weg hier!«

Kapitel 6
    Einsamkeit und Zurückgezogenheit waren eine Notwendigkeit für jeden Schamanen, wenn er sich der Welt der Geister und Götter öffnen wollte. Zakaan hielt nicht viel von den Geisterbeschwörungen, wie sie bei anderen Völkern praktiziert wurden, und auch nichts von Tier- oder gar Menschenopfern, von denen so manch ein Reisender erzählt hatte. Wenn es notwendig war, dann las er die Zukunft aus den Eingeweiden eines frisch getöteten Vogels, oder hantierte mit den Tinkturen und Pülverchen, die seine Vorväter ersonnen hatten, um die Aufnahmefähigkeit des Geistes herzustellen – oder

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