Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
und trieben sie an …
Er begriff die Gefahr erst, als es schon zu spät war. Wie selbstverständlich war er am Bach entlanggelaufen, denn nur dort konnte man im Dunkeln einigermaßen gut vorankommen. Aber genauso selbstverständlich hatten jene das vorhergesehen, die sie überfielen.
Ein Schemen tauchte vor ihm auf, Lexz riss sein Schwert empor. Er war bereit, sein Leben in einem Kampf so teuer wie möglich zu verkaufen.
Aber dazu kam es gar nicht mehr. Bevor er auch nur mehr als die Umrisse des Angreifers ausmachen konnte, der ihm in den Weg sprang, wurde er von einem fürchterlichen Schlag auf dem Hinterkopf getroffen. Er stolperte noch einen Schritt nach vorn, machte eine lächerlich fuchtelnde Bewegung mit seinem Schwert, drehte sich einmal um die eigene Achse und stürzte dann schwer zu Boden.
Augenblicklich wurde es um ihn herum dunkel.
Ihr Gewand zu flicken war einfacher, als Arri geglaubt hatte. Im Schutz eines Felsens hatte sie die Bluse ausgezogen und sie hastig begutachtet. Larkar hatte auf der anderen Seite gestanden, angeblich, um aufzupassen, dass nicht ausgerechnet in diesem für Arri so schwierigen Augenblick ein Angriff erfolgte. Aber Arri hatte, bevor sie mit Dragosz zusammengekommen war, auch schon so manche Erfahrungen gemacht, die ihren Glauben an die Aufrichtigkeit von Männern nachhaltig zerstört hatte.
Also hatte sie den eingerissenen Stoff der Bluse in aller Eile an zwei Stellen verknotet und hier und da etwas glatt gestrichen, bevor sie sie wieder schnell übergestreift hatte. Die Bluse war dreckig und blutbesudelt, und dennoch: Arri fühlte sich danach wieder so viel wohler.
Als sie den Schutz des Felsens verließ, hatte sie auch den Wickelrock wieder gerichtet (was bei diesem einfachen Kleidungsstück auch kein großes Kunststück bedeutete). Wenn sie jetzt auch noch einen kleinen Abstecher zum Fluss hätte machen können, um sich Blut und Dreck aus dem Gesicht und von den geschundenen Handgelenken zu waschen, dann hätte sie sich schon wieder beinahe wie ein Mensch gefühlt.
Aber das war nicht möglich, denn Larkar trieb sie zur Eile an. Nicht, dass das nötig gewesen wäre: Auch wenn sie sich gern noch gewaschen hätte, verspürte Arri eine so große Unruhe in sich, dass sie am liebsten auf eigene Faust losgestürzt wäre, um die Höhle zu suchen, in der sie ihre Schätze versteckt hatte.
»Was hast du jetzt eigentlich vor?«, fragte Larkar, als sie einen schmalen Pfad entlangstapften, der sie entgegen ihrer früheren Erwartung nicht hinab–, sondern noch ein gutes Stück hinaufführte. »Willst du dich jetzt allein durch die Wälder schlagen?«
»Nein«, brummte Arri unwillig.
»Aber was dann?«, bohrte Larkar nach. »Hast du irgendeinen Ort, zu dem du gehen kannst?«
Arri schüttelte den Kopf und versuchte ihre Schritte so weit zu beschleunigen, dass der hinkende Speer nicht mehr mitkam. Es gelang ihr anfangs auch ganz gut, doch dann hatte Lexz in seinen eigenen Rhythmus gefunden und schloss wieder zu ihr auf.
»Also«, fragte Lexz hartnäckig. »Wo willst du nun hin?«
Zu meinem Kind, dachte Arri. Bei dem Gedanken an Kyrill verkrampfte sich ihr Magen so sehr, dass sie sich zunächst vor Schmerzen krümmte.
»Vorsicht«, sagte Lexz. »Nicht, dass du noch mal ein paar Steine lostrittst. Ich habe keine Lust, hier wieder runterzurutschen.«
Die Bemerkung konnte zwar nicht ernst gemeint sein, aber sie erreichte doch ihren Zweck: Arri blieb stehen und sah zurück.
Von hier oben aus hätte man zum Fluss hinunterblicken können, wenn er nicht hinter dem dicken Grün von Baumwipfeln verschwunden wäre. Aber immerhin reichte der Blick ziemlich weit. Und was sie sah – oder besser gesagt: was sie nicht sah –, wirkte beruhigend.
Niemand war zu sehen. Kein Taru, kein Rar, und auch keine Gestalten in schwarzen Gewändern. Allerdings gab sie auch ein ziemlich gutes Ziel ab, falls jemand aus der Ferne sie mit einem Pfeil treffen wollte.
Sie drehte sich wieder um und eilte weiter. Larkar war schon weitergegangen, und gerade jetzt erreichte er eine Abzweigung, die hinter einer Baumgruppe lag, und verschwand mit ein paar humpelnden Schritten aus ihrem Sichtfeld.
Arri wollte ihm gerade nachgehen, als sie hörte, wie Larkar einen überraschten Laut ausstieß. Jetzt hielt sie nichts mehr. Sie packte ihre Stange fester und eilte los. In ihrer Phantasie sah sie Larkar schon in einen heftigen Kampf verstrickt, doch als sie die Baumgruppe erreichte und den abzweigenden Weg einschlug,
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