Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
um zumindest die wertvollen Sachen einzusammeln.
Aber auch wenn das Dorf nicht mehr bewohnt wurde, bedeutete es ja noch nicht, dass es nicht vielleicht gerade jetzt von jemandem heimgesucht wurde, der ganz andere Interessen hatte, als ein paar wertvolle Bronzeteile einzusammeln. Wenn sie Pech hatte, dann waren es sogar die geheimnisvollen Bogenschützen.
Da, hinter dem Langhaus … etwas bewegte sich, und sie erwartete, jeden Augenblick eine Gestalt hervortreten und mit Pfeil und Bogen auf sie anlegen zu sehen. Sie bremste so schnell ab, dass der Schotter unter ihren Füßen hochspritzte, und riss die Stange nach oben …
Eine kleine, magere Wildkatze sauste hervor, jagte einem Blatt hinterher, bemerkte sie und schoss in die entgegengesetzte Richtung davon. Aber das erleichterte Auflachen blieb Arri im Hals stecken, als sie ein Geräusch aus dem Langhaus hörte und sich die Tür knarrend ein Stück bewegte.
»Jetzt bleib doch endlich stehen, verdammt«, sagte Larkar unnötigerweise, als er herangehumpelt kam. Schließlich hatte sie nicht vor, auch nur einen weiteren Schritt in dieses Gespensterdorf hinein zu machen.
Entsprechend gereizt drehte sie sich zu ihm um. Er sah wirklich sehr merkwürdig aus. Vom Ruß geschwärzte Augenringe, die ungewöhnliche Frisur und dann der Schmuck in seinen Ohren und in der Nase: So richtig gewöhnt hatte sie sich daran immer noch nicht. Dennoch durchströmte sie ein warmes Gefühl, als sie ihm entgegensah.
»Ich glaube, im Langhaus … da ist jemand«, raunte sie ihm zu.
Larkar nickte. »Und dahinter hat einer ein Feuer entzündet. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Bei diesen Worten überlief seine Züge ein ganz leichtes Lächeln, und als ihn Arri fast ärgerlich darauf aufmerksam machte, dass dies jetzt vielleicht etwas fehl am Platz wäre, sagte er: » Das gefällt mir ganz und gar nicht , das ist etwas, das die Raubkatze immer in solchen Augenblicken wie diesem sagt …«
»Die Raubkatze?«
Larkar winkte ab. »Ekarna. Sie hat den Beinamen die Raubkatze , so wie Torgon der Hammer …«
Er brach ab und humpelte auf das Langhaus zu. »Vielleicht sind sie es ja.«
»Sie?« Arri konnte nicht verhindern, dass ihre kurze Frage wie ein erschreckter Ausruf klang. »Du meinst doch nicht …?«
Ohne auf sie zu achten, beschleunigte Larkar seine Schritte. Es war genauso, wie schon ein paarmal zuvor: Wenn es darauf ankam, bewegte er sich mit einer Eleganz, die im krassen Widerspruch zu der Verletzung stand, die ihn sonst langsamer machte. Arri zögerte. Hier stehen zu bleiben, wäre nämlich so ungefähr das Dümmste, was sie hätte tun können. Entweder, sie machte auf dem Absatz kehrt und ließ Larkar allein im Langhaus nach seinen Freunden suchen, oder sie begleitete ihn.
Der Speer hatte schon fast das Haus erreicht, als sie sich endlich zu einer Entscheidung durchrang und ihm folgte. Ohne sich nach ihr umzusehen bedeutete ihr Larkar mit einer Handbewegung, auf die andere Seite der Tür zu treten. Dann atmete er tief durch und machte einen letzten Schritt …
Und Arri sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung … als sie dann herumfuhr, musste sie erfahren, dass es diesmal kein so mageres Kätzchen war, das vor ihr davonjagte, sondern etwas ganz anderes, etwas, das hinter dem Brunnen hervorkam …
Larkar stieß die Tür auf, bückte sich unter dem tief gezogenen Reetdach hinweg und trat in das Gebäude hinein. Arri nahm den muffigen Geruch wahr, der aus dem Haus hervorstieg: wie aus einer Gruft.
»Das ist doch …«, murmelte sie.
Ein Windstoß fuhr in das Ding, das hinter dem Brunnen aufgetaucht war, und es wirbelte hoch. Im allerersten Augenblick glaubte Arri, es sei ein riesiger schwarzer Vogel, und sie meinte, gierig funkelnde Augen zu sehen und Flügel, die sich ausbreiteten. Doch dann erkannte sie, dass es nur ein dunkles Kleidungsstück war, das vom Wind hochgewirbelt wurde, vielleicht einer der Mäntel, die die Entstellten bei ihrem Angriff getragen hatten.
Es bliebt ihr jedoch keine Zeit, erleichtert aufzuatmen: Sie fühlte sich von Larkar am Arm gepackt und ins Haus hineingerissen, und hätte sie nicht noch im letzten Augenblick den Kopf heruntergerissen, dann hätte sie sich das Gesicht an dem getrockneten Schilfrohr aufgerissen, aus dem das Reetdach zur besseren Wärmedämmung bis über den Türansatz hinausgezogen worden war. Irgendetwas in ihr wusste ganz genau, was gerade geschah. Aber ein anderer Teil reagierte panisch: Sie hätte die Eisenstange
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