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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Beweis wurde von vielen Physikern bestenfalls oberfl ächlich gelesenen, aber vom Ergebnis her dankend zur Kenntnis genommen.
    Doch als sich Bell das mit komplizierter Mathematik durchsetzte Beweisverfahren des berühmten Ungarn vornahm, stiegen leise Zweifel in ihm auf. Er fragte sich, ob das alles so stimmen könne. Seine Skepsis wurde befördert, als Bohm im Anschluss an sein Lehrbuch Quantentheorie neue Deutungen der alten Mathematik vorlegen konnte, die Bell ausgesprochen gut gefielen. Während die orthodoxen Wissenschaftler die Lösungen der Wellengleichung von Erwin Schrödinger so interpretierten, dass sich mit ihnen nur die Wahrscheinlichkeiten feststellen ließen, mit denen sich Partikel an gegebenen Orten aufhielten, sah Bohm in eben diesen Lösungen tatsächlich etwas Physikalisches (Reales), mit deren Hilfe die Quantenteilchen transportiert wurden. Bohm dachte an so etwas wie Zweige oder Blätter, die von Ozeanwellen getragen werden und mit ihnen vorankommen, während die Wellen selbst an ihrem Platz bleiben. Bell wollte diesem Konzept nachgehen und wissen, ob es in der Physik eine Möglichkeit, ein Experiment, geben könne, um die Stichhaltigkeit seiner Annahme zu prüfen.
Der rothaarige Ire
    Wie es sich für einen Iren gehört, hatte John Bell rote Haare. In seiner Kindheit und Jugend musste er erst einige Jobs annehmen, um Schulen besuchen zu können. Seine glänzenden Noten erlaubten es ihm aber zum Glück bald, sich mit Stipendien über Wasser zu halten und weiterzukommen. Er studierte Physik an der Queen’s Universität in seiner Heimatstadt und erwarb erste Abschlüsse sowohl in experimenteller als auch in mathematischer Physik. Von Belfast wechselte er sodann an ein in Oxfordshire gelegenes Atomforschungszentrum. Dort lernte er nicht nur die Bohm’sche Deutung der Quantenphysik, sondern auch seine Frau Mary kennen. Das Paar zog über Birmingham nach Genf an das eingangs erwähnte europäische Kernforschungszentrum CERN, und Bell lieferte auf diesen Stationen Beiträge zur theoretischen Elementarteilchenphysik, die manchmal auch Hochenergiephysik genannt wird, weil man die kleinsten Bausteinchen der Wirklichkeit nur mit dem Einsatz von gigantischen Energiemengen produzieren und aus ihrem Verbund mit dem Rest der Welt lösen kann.
    Während seiner Zeit am CERN fiel Bell unter anderem durch sein Motorrad auf, das er nicht nur gerne fuhr, sondern auch hin und wieder in seine Einzelteile zerlegte und dann erneut zusammensetzte. Wenn er damit beschäftigt war, erzählte er zum einen gern, dass er als Protestant von seinen (überwiegend katholischen) irischen Landsleuten eher als Eindringling betrachtet wurde, weshalb es ihm keine Schwierigkeiten bereitete, anderswo als in seiner Heimat zu leben. Zum anderen wies Bell bereitwillig darauf hin, dass einer der Höhepunkte seiner Studienzeit in der Lektüre einiger Texte von Max Born bestand, die unter dem englischen Titel Natural Philosophy of Cause and Chance veröffentlicht worden waren. In diesem Buch drückt Born zwar seine Bewunderung für den Beweis aus, mit dem John von Neumann das Kapitel über verborgene Parameter in der Quantenwelt abschließen will, aber Born stellt das Argument nicht vor. Bei Bell blieben folglich Fragen offen, und sie tauchten sofort wieder auf, als er Bohms Lehrbuch las und ihm intuitiv immer klarer wurde, dass in von Neumanns Beweis ein Fehler stecken konnte oder gar musste. Aber wo und wie? Bell nahm sich vor, erst einmal genau herauszufinden, »was von Neumann und seine Nachfolger tatsächlich gezeigt hätten«, wie es zu Beginn in seiner ersten Arbeit On the Problem of Hidden Variables in Quantum Mechanics (1966) heißt.
Was ist eine nicht-lokale Wechselwirkung?
    Als Bell sich an das Thema wagte, das ihn berühmt machen sollte, lebten er und seine Frau vorübergehend im kalifornischen Stanford. Sie verbrachten hier das eingangs erwähnte Sabbatjahr, das in Bells Fall mit einer Erkenntnis begann.
    Bell fällt auf, dass in den Theorien der Quanten etwas fehlt, nämlich eine Unterscheidung zwischen dem, was Bell bald eine lokale Wechselwirkung nennt, und ihrem Gegenstück, die daher nicht-lokal ( nonlocal ) zu nennen wäre. Eine lokale Wechselwirkung kennt jeder, der schon einmal eine Ohrfeige bekommen hat, bei der eine Hand eine Backe trifft, ohne dass zwischen beiden etwas vermittelt. Jeder Hammer, der einen Nagel einschlägt, jede Hand, die den Hammer fasst – sie alle liefern Beispiele für lokale

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