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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Blick ausgeschlossen, denn im Mittelpunkt des EPR-Argumentes steht doch ein Teilchen, das gerade nicht beobachtet werden soll. Wie will man nun feststellen, ob sein Zustand dennoch bestimmt ist? (Dies erinnert an die alte Scherzfrage, wie man herausfinden will, ob das Licht im Kühlschrank noch an ist, wenn die Tür geschlossen ist.)
    Natürlich gibt es keine Möglichkeit, ein isoliertes Teilchen unbeobachtet zu beobachten. Bell empfahl deswegen, sich nicht um ein einzelnes Photonenpaar zu kümmern, sondern die Korrelation zwischen vielen Paaren dieser Art zu untersuchen. Nehmen wir an, die beiden Filter der Versuchsanordnung sind gleich orientiert und so angeordnet, dass alle Photonen sie passieren. Dann haben wir eine hundertprozentige Korrelation. Drehen wir einen Filter (zum Beispiel den bei R) um 90 Grad, stellen wir fest, dass jede Korrelation zwischen beiden Seiten verschwindet. Dies ist zwar nicht verwunderlich, es hilft aber auch nicht weiter. Die Frage, ob Einstein oder seine Gegenspieler richtig liegen, kann entschieden werden, wenn die Filter weder parallel noch senkrecht zueinander angeordnet sind, sondern sich in einer Zwischensituation befinden. Dabei sollte sich eine Korrelation zeigen, die irgendwo zwischen hundert Prozent und null liegt.
    Bell konnte nun zeigen, dass sich unter verschiedenen Voraussetzungen verschiedene Formen der Korrelationen ergeben sollten. Wenn man, erstens, wie Einstein annimmt, dass die Quantenobjekte wirklich zu jeder Zeit alle Eigenschaften in wohldefinierter Weise besitzen – dies nennt man die Realitätsannahme – und wenn man, zweitens, weiter annimmt, dass keine Information zwischen den Photonen schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausgetauscht wird, dann kann man eine Grenze angeben, die die Korrelation nicht überschreiten darf. Diese Schranke wird dabei in mathematischer Form festgelegt, und zwar durch die Bell’sche Ungleichung. Die zweite genannte Voraussetzung wird auch als Annahme der »Lokalität« bezeichnet, da sie einen unmittelbaren (zeitlosen, instantanen) physikalischen Einfl uss auf entfernte Objekte verbietet. Damit vermeidet man mögliche Verletzungen der speziellen Relativitätstheorie, mit der Einstein zeigen konnte, dass sich keine physikalische Wirkung schneller als Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Die Lokalität braucht nicht eigens aufgeführt zu werden, wenn die Quantenmechanik anstelle der Realitätsannahme verwendet wird, weil allgemein bewiesen werden kann, dass diese beiden großen Theorien der Physik, die unabhängig voneinander gefunden wurden, konsistent sind und sich nicht gegenseitig widersprechen.
    Nun aber kommt der entscheidende Punkt: Wenn man annimmt, dass eine Quantenmechanik à la Bohr gilt, dann gibt es Orientierungen der Filter, bei denen die Bell’sche Ungleichung verletzt ist. Die Quantenmechanik prophezeit eine bessere Korrelation der Photonen als die Annahme einer lokalen Realität. Die klärenden Experimente dazu wurden zum ersten Mal zwischen 1982 und 1984 von Alain Aspect, Jean Dalibard und Gérard Roger ausgeführt und inzwischen vielfach wiederholt. Die von ihnen erzielten Ergebnisse lassen keine Zweifel zu. Die Korrelationen waren genau um den Teil höher, den die Quantentheorie vorausgesagt hat. Die Annahme einer lokalen Realität kann also in der Quantenwelt nicht zutreffen. Die atomare Wirklichkeit ist nicht-lokal, sie offenbart einen Zusammenhang zwischen einzelnen Objekten, der als Ganzheit beschrieben werden kann. Quantenteilchen wie etwa die Photonen im EPR-Versuch, die einmal in physikalischer Wechselwirkung gestanden haben, bleiben danach für immer verbunden, auch wenn keine direkte Verknüpfung mehr zwischen ihnen besteht.
    Bohr hatte auf diese besondere Art des quantenhaften Zusammenhängens schon 1935 in seiner Antwort an Einstein hingewiesen. Erwin Schrödinger hat diesen Gedanken im selben Jahr aufgegriffen und vorgeschlagen, für solche korrelierten Zustände ohne Wechselwirkung den Begriff »Verschränkung« zu verwenden, der im Englischen entanglement heißt (und auf dieser Weise etwas an enlightment , dem englischen Wort für Aufklärung erinnert). Dies sei nämlich das eigentliche Charakteristikum der Quantentheorie. Sie zeigt uns eine verschränkte Welt, die in gewisser Weise am Grund unserer Wirklichkeit existiert. Was bedeutet das für unsere Wahrnehmung? Diese Verschränkung erlaubt uns, genau genommen, nicht mehr, von isolierten Teilchen, etwa von einzelnen Elektronen zu reden. So

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