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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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aber auch zum Handwerk der Wissenschaft, und sie dienen oft dem Abschätzen von Quantitäten. Auch die berühmte Unbestimmtheit von Heisenberg kann als Ungleichung formuliert werden, indem man sagt, dass das Produkt aus der Orts- und Geschwindigkeitsmessung eines atomaren Bausteins (zum Beispiel eines Elektrons) größer als das Quantum der Wirkung sein muss, das wir Planck verdanken.
    Bells Ungleichung ist sehr viel trickreicher, aber es gibt eine buchlange gute Hinführung zu ihr, nämlich Nick Herberts Quantenrealität aus den 1990er-Jahren. Es existieren auch Vorschläge, sie für eine alltägliche Situation zu formulieren. Hier ein Beispiel, über das man ein wenig nachdenken muss, um mit ihm klarzukommen: »Die Zahl der Frauen, die mit einem Auto fahren, ist kleiner (oder höchstens gleich) der Zahl der Frauen, die das Französische sprechen plus der Zahl der Autofahrer (beiderlei Geschlechts), die nicht Französisch können.«
Das EPR-Paradoxon
    Zurück zur Physik und dem Vorschlag Einsteins, mit dem Bells Ungleichung bewiesen werden konnte. Wir erinnern uns, dass Einstein nicht behauptete, die Quantenmechanik sei falsch. Er bestritt aber, dass mit ihr das letzte Wort über die Atome gesprochen war. Um zu beweisen, dass die quantenmechanische Beschreibung der Wirklichkeit unvollständig sei, dachte sich Einstein mit seinen Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen 1935 einen Versuch aus, in dem eine physikalische Größe auftauchte, die zwar offenbar in der Wirklichkeit bestimmt war und feststand, von der die Quantentheorie aber behauptete, dass sie unbestimmt sei.
    Wir wollen hier nicht nochmals dieses Gedankenexperiment von Einstein, Podolsky und Rosen (EPR) beschreiben – siehe dazu das Kapitel zu Einstein –, sondern einen entsprechenden Versuch, der wirklich stattgefunden hat, um Bells Ungleichung dabei zu prüfen. Anfang der 1980er-Jahre gab es nämlich zum ersten Mal die technischen Möglichkeiten, den EPR-Vorschlag zu realisieren, und eine Gruppe von französischen Physikern unter der Leitung von Alain Aspect hat dies auch bewerkstelligt. Ihre kompliziert scheinende Apparatur sieht im Prinzip wie folgt aus: Aus Kalzium wird ein Gas bereitet, von dem aus sich einzelne Atome auf eine Kammer zu bewegen. Bevor die Kalziumatome die Kammer erreichen, werden sie von einem Laserstrahl getroffen, der seine Energie an die Atome abgibt und sie somit anregt. In diesem Zustand treffen sie in der Kammer ein. Hier verlieren die Kalziumatome diese Energie blitzartig wieder, indem sie zwei Lichtteilchen aussenden. Diese beiden Photonen verlassen den Kasten in entgegengesetzten Richtungen, sie treffen jeweils auf einen Filter und anschließend auf ein Messgerät.
    Es spielt für die Diskussion im Augenblick keine Rolle, welche Eigenschaft die Filter analysieren, wichtig ist nur, dass sie die eintreffenden Photonen je nach Stellung aufhalten oder durchlassen können. Wenn ein Photon zum Beispiel den Filter auf Seite L passiert, wird es im Messgerät registriert, und seine vom Filter analysierte Eigenschaft ist dem Experimentator bekannt. Damit kennt er aber auch – und zwar aufgrund von physikalischen Erhaltungssätzen – den Zustand des Photons auf der Seite R, ohne auf ihn durch ein Messgerät Einfluss zu nehmen. Der Zustand des Teilchens bei R, so argumentierten Einstein, Podolsky und Rosen, ist also nicht unbestimmt, selbst wenn keine Beobachtung erfolgt. Vielmehr kann er sogar mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden und stellt folglich »ein Element der Wirklichkeit« dar. Diese Folgerung ist aber in der Quantenmechanik unzulässig, da die orthodoxen Vertreter der Quantentheorie behaupten, dass ein Zustand solange unbestimmt und damit kein Element der Wirklichkeit sei, solange er nicht registriert worden ist. Die Theorie der atomaren Wirklichkeit erweist sich offenbar als unvollständig – es sei denn, man lässt eine seltsame Korrelation zwischen den Zuständen bei L und R zu, die es im Experiment zu fi nden gilt.
    Wir wollen nun erläutern, wie der wirklich durchgeführte Versuch gezeigt hat, dass eine solche Korrelation tatsächlich existiert und dass die Quantentheorie auf diese Weise eine Beschreibung der Wirklichkeit liefert, die so vollständig ist, wie Menschen es nur hoffen können. Dieses Experiment wurde möglich mit der Entdeckung, die Bell 1964 gelang, als er nach einer Möglichkeit suchte, Einsteins Problem durch eine Beobachtung zu entscheiden. Dies scheint auf den ersten

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