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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Kopfschmerzen bereitet haben. Zum einen fügten sich seine neuen Daten überhaupt nicht mit dem sonst so geschätzten Rosinenkuchen- oder Plumpuddingmodell des berühmten J.J. Thomson zusammen. Zum anderen hatte Rutherfords These zum Aufbau des Atomkerns mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass dort alle positiven Ladungen des Atoms auf engstem Raum versammelt sein sollten. Während die (negativ geladenen) Elektronen auf ihren Umlaufbahnen sich noch ausweichen konnten, hockten die Kernbausteine dicht beieinander, was aber nicht sein konnte, da sie sich durch ihre gleichen Ladungen heftig abstoßen mussten. Wieso passierte das nicht? Und zum dritten schien der Atomkern im Vergleich zu dem ganzen Atom so klein zu sein, dass man sich ernsthaft fragen musste, was sich zwischen ihm und den Elektronenschalen befinden konnte. Bei dem Rosinenkuchen war alles besetzt und verklebt und in Ordnung – nur dass damit nicht die beobachtete Streuung der Alphastrahlen bzw. der dazugehörenden Partikel zu verstehen war.
    Rutherford rätselte und rätselte und erfand dabei hübsche Formulierungen wie etwa die, dass in seinem Saturnmodell des Atoms »der Raum zwar besetzt, aber nicht gefüllt« sei – »space occupied but not filled«, wie es im Original heißt. Was man bei all dem Ringen um Worte festhalten kann, ist: Rutherford konzipierte das Atom als winziges Planetensystem, in dem der Atomkern die Stelle der Sonne einnahm und die Elektronen als Planeten agierten – mit viel Platz (Leere) dazwischen. Zwar wurde ihm schon früh vorgehalten, dass er damit in das Denken der Renaissance zurückfiel, in der das Große einfach analog zum Kleinen (Mikro- und Makrowelt) verstanden wurde, und außerdem wäre es doch logisch merkwürdig, das makroskopische Planetensystem durch ein mikroskopisches zu erklären, das denselben Gesetzen unterliegt. Aber Rutherford konnte und wollte die Ergebnisse seiner Streuversuche nicht leugnen, weil sich hier die eigentliche Qualität der Naturwissenschaften zeigte. Sie mussten die Welt unter der erschwerten Bedingung des Experiments erklären, und an den zurückprallenden Alphateilchen führte kein spekulativer Ausweg vorbei.
Nach dem Kern
    Der Physiker, der die Idee eines Kern rettete und als Erster wirklich verstand, wie ein Atom gebaut ist, hieß Niels Bohr, und er traf 1912 in Manchester ein, um mit Rutherford zu arbeiten. Wir berichten darüber in dem entsprechenden Kapitel und wollen an dieser Stelle noch andere Arbeiten und Leistungen Rutherfords würdigen. 1919 erschien sein Aufsatz mit dem Titel Zusammenstoß von Alphateilchen mit leichten Atomen , in dem Rutherford berichtete, dass ein Beschuss von Stickstoff dazu führte, dass Wasserstoffatome entstanden. Er vermutete sogleich, dass es durch die auftreffenden Alphateilchen zu Umwandlungen bei den Atomen gekommen war, und diese Beobachtung machte ihn letztlich zum Entdecker der künstlichen Radioaktivität: Er verwandelte Stickstoff in Sauerstoff und setzte dabei Wasserstoff frei. Rutherford war wirklich ein Alchemist geworden, sodass uns nicht verwundern darf, warum ihm, erstens, der Nobelpreis für Chemie zugesprochen wurde und warum man, zweitens, das Element mit der Ordnungszahl 104 nach ihm benannt hat – eben als Rutherfordium.
    1920 äußerte Rutherford in einem Vortrag den Verdacht, dass es neben den positiv geladenen Kernteilchen, die inzwischen Protonen hießen, noch weitere elementare Bausteine im Inneren der Atome geben könnte, und er vermutete, dass sie elektrisch neutral seien. Heute wissen wir, dass es solche Neutronen gibt. Entdeckt hat sie 1932 James Chadwick, ein Schüler Rutherfords. John Cockroft und Ernest Walton, ebenso geistige Ziehsöhne Rutherfords, »vergriffen« sich an der Entdeckung ihres Lehrers: Sie waren als Erste in der Lage, die Atomkerne zu zertrümmern, die Rutherford gefunden hatte. 1951 wurden sie dafür mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

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Lise Meitner (1878–1968)
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Eine kluge Frau in der Männerwelt
    Lise Meitner hat nie einen deutschen Pass besessen, obwohl sie mehr als dreißig Jahre – von 1907 bis 1938 – in Berlin gearbeitet hat. Als sie nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 als »Wiener Jüdin«, wie es im Jargon der Nazis hieß, aus Deutschland vertrieben wurde und fl iehen musste, hat sie in Schweden eine neue Heimat gefunden. 1946 ist sie dann Staatsbürgerin dieses Landes geworden. Nach Deutschland oder in ihre Heimatstadt Wien ist sie nicht mehr zurückgekehrt.

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