Die Hintertreppe zum Quantensprung
dabei das Glück gehabt, von Beginn an daran gewöhnt zu werden, Fehler zu suchen und zu fi nden. Diese Eigenschaft ließ ihn später auch die grundlegenden Irrtümer in seiner Wissenschaft entdecken.
Während seiner Zeit an der Universität hatte ihn ein Hochschullehrer aufge for dert, sich mit den Eigenschaften von Metallen zu beschäfti gen. Bohr sollte die Vorstellungen kennenlernen, mit denen die elek trische Leitfähigkeit etwa von Kupfer verstanden werden konnte. In der damals akzeptierten Elek tro nen theorie der Metalle konnten sich die bekannten negativ geladenen Teilchen von ihren Atomen lösen und relativ frei bewe gen. Die Physik behandelte somit ein Stück Kupfer wie ein Gas aus Elek tro nen und konnte auf diese Weise mit ihren Gesetzen zum Beispiel den Strom erklären, der durch einen Draht fließt. In seiner Magisterarbeit (1909) prüfte nun Bohr, ob diese Vorstel lungen auch helfen, weitere Eigenschaften der Metalle zu verste hen. Er fand zu seiner Zufriedenheit heraus, dass er mit ihrer Hilfe die experimentell ermittelte Tatsache erklären konnte, dass eine Legierung aus zwei Metallen Strom schlechter leitet als jedes der reinen Metalle. Bohr entdeckte aber auch, dass es mit der vorliegenden Theorie keine Möglichkeit gab, die ma gnetischen Eigenschaften zu deuten, die etwa beim Eisen auftre ten. In der Theorie musste folglich ein Fehler stecken.
Bohr verstand dies als grundsätzliches Problem. Hier war man nicht einfach an einer willkürlichen Annahme gescheitert, hier hatten sich die herkömmlichen und erfolgsgewohnten Ge setze der Physik als nicht anwendungsfähig erwiesen. Wie schon bei Planck und Einstein zeigten die bewährten Gesetze Schwächen. In seiner Doktorarbeit (1911) versuchte deshalb Bohr, diese zu beheben, indem er Elektronen miteinan der in Wech sel wir kung treten ließ, ohne die grundsätz liche Annahme aufzugeben, dass sich die Elektronen und die Metallatome in einem (thermischen) Gleichgewicht befinden und Energie zwischen ihnen kontinuierlich ausgetauscht werden kann. Dass dies das Haar in der Suppe war, hatte zwar auch Planck bereits erkannt, aber noch machte man keinen allgemeinen Ge brauch von dieser Erkenntnis.
»Die kleinen Atome«
Nach seiner Promotion ging Bohr zu Rutherford. Als er in Manchester eintraf, war er von der Richtigkeit der Annahmen überzeugt, die Rutherford bezüglich des Atoms getroffen hatte. Er glaubte nämlich, dass nicht das Modell, sondern die klassische Physik falsch sei, die man bislang darauf anwendete. Woher nahm Bohr diesen Mut?
Zunächst kann man antworten, dass er seine Neugierde ein schränkte und auf genau ein Problem konzentrierte: die Frage nach der Stabilität der Atome. Den Physikern standen als Daten über die Atome Spektrallinien zur Verfügung. Das Licht, das von den chemischen Elementen ausgesandt werden konnte, setzte sich aus Komponenten bestimmter Wellenlänge zusammen, die gemeinsam das charakteristische Spektrum eines Elementes ausmachten. Jede vorhandene Wellenlänge tauchte als eine Linie im Spektrum auf, und die Physiker hofften, Einzelheiten über den Atombau aus diesen Spektrallinien ableiten zu können.
Zudem erkannte Bohr, dass Rutherfords Idee mit einem Schlag zwei fundamentale Aspekte der Materie ver ständlich machte. Denn neben der Frage nach der Stabilität erklärte das Modell, warum man zwischen physikalischen und che mischen Eigen schaften der Elemente unterscheiden konnte. Im Atomkern steck te die Physik (Radioaktivität), in der Elektronen hülle die Chemie (Reaktionsbereitschaft).
Rutherfords Atom erlaubte also, die Chemie und die Physik der Atome zugleich zu verstehen. Und seine Stabilität konnte mit den Quanten begründet werden. Das der klassischen Physik fremde Konzept hielt die Elektronen in ihrer Bahn. Wenn näm lich Elektronen ihre Energie auch nur in Form von Quanten paketen abgeben beziehungsweise erhalten können, dann ver sagt das klas sische Argument der Abstrahlung. Hier verliert nämlich eine be schleu nigt bewegte Ladung ihre Energie kontinuierlich. Das Quantum jedoch verhindert dies und schützt die Elektronen davor, in den Kern zu stürzen. Kurz, es stabilisiert die Materie.
Indem er die Wirklichkeit der Quanten anerkannte, erzwang Bohr einen weiteren revolutionären Schritt. Bevor er sein Modell vorschlug, hatten die Physiker ganz selbstverständlich angenom men, dass die Frequenzen des Lichtes, das Atome aussendet, sol che Frequenzen sind, die im Atom wirklich existieren, nämlich
Weitere Kostenlose Bücher