Die Hintertreppe zum Quantensprung
und blieb zusammen.
Zu dem Geist von Kopenhagen gehört natürlich auch die große intellektuelle Anspannung, die mit den Schwierigkeiten der neuen Physik zusammenhing. Sie machte sich oft in Witzen Luft. Besonders zwei Russen, die wir noch genauer kennenlernen werden, heckten in Kopenhagen fast täglich einigen Schabernack aus und hielten den Kopenhagener Geist wach: George Gamow und Lew Landau. Bei Landau kam es vor, dass er sich während einer Diskussion auf den Boden legte, um sich auszu strecken. Bohr fühlte sich dadurch nicht irritiert – er ging einfach in die Knie und beugte sich tiefer nach unten, um das Gespräch fortzusetzen. Gamow, der gerne Hüte in flüssiges Helium steckte und anschließend zerkleinerte, um Bruchstücke davon als Postkarten zu verschicken, überredete Bohr eines Tages zu einem Kinobesuch. Man sah einen amerikanischen Wildwestfilm und diskutierte anschließend, wieso immer der gute Held den Bösewicht erlegt, wenn es zum Shoot-out kommt. Bohr wusste eine Antwort: »Weil der Gute nicht denken muss!« Gamow wollte das überprüfen, kaufte zwei Spielzeugpistolen, händigte eine davon Bohr aus und band sich die zweite selbst um. Wäh rend sie nun über Physik diskutierten, versuchte Gamow, Bohr »abzuknallen«. Doch Bohr kam ihm stets zuvor, wenn Gamow seine Waffe ziehen wollte.
Bohr erklärte das so: Eine Person, die sich vornimmt zu handeln, die also denkt, agiert langsamer als eine Person, die reagieren kann, ohne nachzudenken. Schließlich hatte Bohr aber an den Wildwestfilmen doch etwas auszusetzen: »Das ist doch alles zu unwahrscheinlich! Also, dass der Böse wicht mit dem hübschesten Mädchen davonläuft, das ist logisch. Dass die Brücke unter ihrer Last zusammenbricht, ist zwar un wahrscheinlich, kann aber akzeptiert werden. Dass die hübsche Heldin mitten über dem Abgrund hängen bleibt, das ist noch un wahrscheinlicher, aber ich akzeptiere auch das. Ich nehme sogar auch noch hin, dass gerade in diesem Moment Tom Mix auf sei nem Pferd daherkommt. Was aber mehr ist, als ich akzeptieren kann, das ist die Tatsache, dass genau in diesem Moment und an dieser Stelle ein Kerl mit einer Filmkamera steht, der das alles aufnimmt.«
Einsteins Paradoxon
Der Gedanke der Komplemen tarität enthält auch einen meta physischen Aspekt, der über die Grenzen der Beobachtung hinausgeht und versucht, das Wesen der Realität selbst zu erfassen. Er besagt, dass es etwas wie ein Elektron mit gegebener Lage und gegebener Ge schwindigkeit gar nicht gibt. Mit dieser Vorstellung Bohrs konnte sich Einstein nie ab fi n den, weshalb er nach 1930 versuchte, diesen Aspekt der Komplementarität als Unsinn erscheinen zu las sen. 1935 veröffentlichte Einstein mit zwei Mitarbeitern (Podolsky und Rosen) die bereits erwähnte Arbeit über das EPR-Gedankenexperiment, die im Titel folgende Frage stellte: Kann die quantenmechanische Beschreibung der physikalischen Wirklichkeit als vollständig betrachtet werden?
Einstein hatte damals längst aufgegeben, die Quantenmecha nik als inkonsistent zu bezeichnen. Er bestritt allerdings nach wie vor, dass sie vollständig ist, und es war klar, dass seine Antwort auf seine Titelfrage »Nein« lauten musste. Von einer voll ständigen Theorie ver langten die Autoren, dass in ihr jedes Ele ment der physika lischen Realität seine Entsprechung haben muss. Das heißt konkret: Wenn man den Wert einer physikalischen Größe mit Sicher heit vorhersagen kann, ohne ein System dabei in irgendeiner Weise zu stören, dann gibt es ein Element der physikalischen Wirklichkeit, das dieser Größe ent spricht. Die Autoren zeigten dann an einem Beispiel, dass es Größen gibt, die zwar ein Element der physikali schen Wirklichkeit sind, die aber von der Quantenmechanik nicht erfasst werden, was bedeutet, dass diese gefeierte Theorie unvollständig ist.
Wie sah ihr Beispiel aus? Das EPR-Trio schlu g vor, zwei Teilchen (A und B) zu betrachten, die aufeinander zu fl iegen, zusammenstoßen und wieder auseinanderfl iegen. Für solch eine Situation erlaubt die Quantenmechanik kurioser weise, dass sowohl die Summe der Impulse als auch die Differenz (Ab stand) der Orte gleichzeitig einen festen Wert haben. Außer dem legen die Gesetze der Physik fest, wie die entsprechenden Werte vor und nach dem Zusammenstoß korreliert sind.
Nun kann ein Beobachter am Teilchen A eine Messung vor nehmen, er bestimmt zum Beispiel seinen Impuls. Mit dem oben Gesagten wird er dadurch in die Lage versetzt, mit
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